Countdown zum Börsencrash: Daniel Stelter über den Bullenmarkt

Mit diesem Beitrag beginnen wir die Serie mit dem Titel „Countdown zum Börsencrash“, nachdem wir davon ausgehen, dass sich in den nächsten Wochen die Indizien für eine Korrektur an den Aktienmärkten verdichten werden. Im ersten Beitrag greifen wir dazu einige Kommentare von Dr. Daniel Stelter auf, der das noch einmal zusammenfasst, was wir in verschiedenen Beiträgen immer wieder als die Ursachen der Zyklen an den Börsen beschrieben haben.

Daniel Stelter: Bullenmarkt bei Aktien vor dem Ende (Countdown zum Börsencrash)

21.08.2017: Es wird in absehbarer Zeit zu einer deutlichen Korrektur an den Börsen kommen, davon sind wir überzeugt. Die Gründe für einen Börsencrash in 2017 oder 2018 bzw. für eine mehrstufige Korrektur an den Aktienmärkten haben wir in den letzten Monaten ausführlich dargelegt. Diese Serie setzen wir zukünftig unter dem Titel „Countdown zum Börsencrash“ fort.

Dr. Daniel Stelter ist ein deutscher Ökonom und war von 2009 bis 2013 Mitglied im weltweiten Executive Committee der Boston Consulting Group. Seither ist er als Autor bei verschiedenen Wirtschaftsmedien und als Blogger aktiv.

Countdown zum Börsencrash – Daniel Stelter über das Geldsystem

Dr. Daniel Stelter mahnt an, dass wir die Wirtschaftspolitik grundlegend hinterfragen müssten. Seit Mitte der 1980er-Jahre würden wir darauf setzen, mit immer mehr Schulden kurzfristiges Wachstum zu erzielen.

Dabei nehme die Produktivität der neuen Schulden immer weiter ab. Nachdem die Wirtschaft im Einklang mit der Verschuldung jahrzehntelang gewachsen sei, würden heute weltweit immer mehr Schulden gebaucht, um überhaupt noch Wachstum erzielen zu können. Die Ursache liege in der überwiegend unproduktiven Verwendung der Schulden, so Daniel Stelter. Wir kauften uns damit gegenseitig vorhandene Vermögenswerte zu immer höheren Preisen ab. Im Unterschied zu Investitionen in neue Produkte und Dienstleistungen wachse dadurch die Wirtschaft jedoch kaum noch, wenn man von dem Zusatzkonsum durch den Reichtumseffekt steigender Vermögenspreise einmal absehe. Ermöglicht werde das Ganze von einem Bankensystem, das fast unbegrenzt neues Geld schöpfen kann, indem es Kredite gewährt.

In unserem Geldsystem werde neues Geld überwiegend durch das Bankensystem geschaffen. Steigende Nachfrage nach Vermögenswerten führe dabei zu einem Preisanstieg, der wiederum eine höhere Beleihungskapazität für alle Vermögenswerte ermögliche. Wir seien damit abhängig von steigenden Vermögenswerten, neuen Schuldnern und immer tieferen Zinsen. Die ausstehenden Schulden müssten bedient werden, soll es nicht zum Kollaps kommen. Dies bedinge, dass zumindest in Höhe der Zinsen auf ausstehende Schulden neue Schulden aufgenommen werden müssten. Denn nur daher könne neues Geld kommen, stellt Daniel Stelter völlig zutreffend fest. Wir hätten uns von der Schuldendroge abhängig gemacht und brauchten eine ständig steigende Dosis. Bleibt sie aus, käme es zu dem sog. „Minsky Moment“ – dem ultimativen Crash.

Dass es auch ohne die Droge gehe, könne an der Entwicklung in den 1950er- und 1960er-Jahren gut nachvollzogen werden. Natürlich sei auch damals die Verschuldung deutlich angestiegen. Jedoch wären die Schulden einer produktiven also realwirtschaftlichen Verwendung zugeführt worden, wodurch auch die Wirtschaft – anders als heute – entsprechend gewachsen sei. Die Schuldenquoten hätten sich seinerzeit also stabil bis rückläufig entwickelt.

Um das erneut zu erreichen, müssten wir das Bankensystem wieder auf die eigentliche Rolle als Vermittler von Krediten für die Realwirtschaft reduzieren, meint auch Daniel Stelter. Damit einhergehend müsste auch eine Limitierung der Kreditvergabe durch deutlich höhere Eigenkapitalanforderungen einhergehen. Zu prüfen sei zudem, ob dem Bankensystem das Geldschöpfungsprivileg durch Umstellung auf Vollgeld entzogen werden müsse.

Daniel Stelter: Notenbanken sollten Schulden aufkaufen und abschreiben

Darüber hinaus müsste ein Weg gefunden werden, wie die angehäuften Schulden intelligent bereinigt werden könnten. Stelter mutmaßt, dass uns vermutlich nichts anderes übrig bleiben werde, als die Schulden bei den einzigen Institutionen abzuladen, die über eine praktisch unbegrenzte Verschuldungskapazität verfügten, bei den Notenbanken. Diese würden ohnehin schon in großem Umfang Forderungen aufkaufen.

Diesen Aufkauf von Forderungen müssten die Notenbanken noch verstärken, und sobald sie einen signifikanten Bestand aufgebaut hätten, sollten sie die Forderungen abschreiben und den Schuldnern ihre Schulden erlassen. Da Notenbanken per Definition nicht illiquide und damit nicht insolvent werden könnten, bleibe dies wohl die einzige und noch relativ schmerzfreie Möglichkeit der Bereinigung. Das ist auch die Ansicht von Prof. Dr. Richard Werner, der das bereits in 2016 forderte.

Daniel Stelter sieht keine Lösung in Sicht

Den Notenbank-Chef von FED und EZB, Janet Yellen und Mario Draghi, sei nach Daniel Stelter gemein, dass sie als Vertreter des Systems alles dafür täten, dieses System am Laufen zu halten. Ihre Mission sei die Verschuldung weiter zu steigern, damit es nicht zum finalen Crash käme. Zugleich seien sie die Letzten, die ernsthaft einen Systemwechsel anstrebten, weil die Interessen am Status quo festzuhalten, zu groß wären. Denn wer hätte nicht gerne weiterhin das Recht und die Möglichkeit, legal Geld aus dem Nichts zu schaffen und damit reale Assets zu kaufen und exklusive Profite zu generieren? Damit würden wir jedoch in einem System gefangen bleiben, das zwangsläufig auf die nächste Krise zusteuere. Gut möglich sei es deshalb, dass die nächste Krise auch die Notenbanken hinwegfegen könnte, befürchtet Daniel Stelter.

Daniel Stelter erwartet das Ende des Kreditzyklus

Vor wenigen Tagen schrieb Dr. Daniel Stelter dann, dass er den Kreditzyklus sich seinem vorläufigen Ende nähern sehe. Wir hatten über das bevorstehende Ende des Kreditzyklus schon in 2016 berichtet.

Daniel Stelter führte dazu aus: „Den Schlusspunkt dürfte eine Welle an Fusionen und Übernahmen setzen, die alle Rekorde bricht. Danach geht es dann bergab“.

Schon vor dem Gründerkrach von 1873 seien unter den Spekulanten Hausknechte und Dienstmädchen gewesen. In 1929 seien die Profis aus den Aktienmärkten ausgestiegen, als Börsenneulinge zugriffen und Schuhputzer begannen, Aktientipps zu geben. Auch im Jahre 2000 hätten sich Hausfrauen, Studenten und Schüler von dem Anstieg der Aktienkurse im Zuge der Internetblase anstecken lassen. Der Einstieg von Laien sei immer ein klares Zeichen für das bevorstehende Ende eines Bullenmarktes. Bemühe man diesen Indikator heute, so könne Entwarnung gegeben werden, denn die Privatanleger würden sich aus den Märkten sogar eher zurückziehen, so Daniel Stelter.

Das mag zwar für Europa zutreffen, jedoch nicht für die USA, wo gerade in den letzten beiden Quartalen die Anzahl der Privatpersonen, die ihr Geld in Aktien investieren, stark angestiegen ist, wie das US-Makler-Unternehmen Charles Schwab Corporation (CSC) berichtet hatte.

Ende des Kreditzyklus läutet Countdown zum Börsencrash ein

Dr. Daniel Stelter hat indes eine andere Käufergruppe ausgemacht, die am Ende des Kreditzyklus stark in Aktien investieren würde, die Unternehmen.

„Nicht nur kaufen sie besonders gern eigene Aktien zurück, wenn sie am teuersten sind, nein, sie kaufen auch am liebsten Wettbewerber auf, wenn deren Aktien schon lange gestiegen sind. In der Tat zeigt ein Blick auf die Deal-Aktivität und die Entwicklung der Börsen eine deutliche Korrelation. Kurz vor den Tops ereignen sich die meisten Transaktionen. So war es 1999, so war es 2007 und so wird es auch 2017 sein.“

Denn wenn die Börsen hoch notierten, seien die Unternehmensgewinne gut, die Wachstumsaussichten prächtig und das Zutrauen in die Zukunft beträchtlich. Da wäre es als Manager viel einfacher, Aufsichtsrat und Aktionäre von einer Übernahme zu überzeugen, als in Krisenzeiten. Das läge daran, dass sich Unternehmen ebenso wie Privatinvestoren zwangsläufig prozyklisch verhielten. Schon lange wären Unternehmen die größte Gruppe der Käufer von Aktien in den USA, denn mit dem Rückkauf der eigenen Aktien – vor allem auf Kredit – wollten sie den Gewinn pro Aktie und damit den Aktienkurs steigern. Doch erst eine Welle an Firmenübernahmen würde das Ende des bisherigen Aufschwungs an den Börsen einläuten, so Daniel Stelter.

Daniel Stelter über steigende Zinsen und Investitionszwang

Ein wesentlicher Treiber für eine Zunahme der Akquisitionsaktivitäten der Unternehmen sei der verzweifelte Versuch, das eigene Geschäft doch noch in die neue Welt zu retten. In den Schubladen der großen Konzerne lägen schon lange die Listen der Übernahmekandidaten bereit. Häufig müsse gekauft werden, nur um dem Wettbewerb zuvorzukommen. Und nur selten gebe es ein Zeitfenster, in dem alles passe: die eigene Finanzkraft, die eigene Bewertung an der Börse relativ zum Übernahmeziel und nicht zuletzt die Finanzierung auf Kredit. Und dieses Zeitfenster scheine sich häufig am Ende eines Bullenmarktes zu ergeben.

Daniel Stelter: Notenbanken hätten Bullenmarkt verlängert

Die Notenbanken hätten mit ihrer Politik des billigen Geldes in den vergangenen Jahren einen deutlichen Anreiz für Aktienrückkäufe und Übernahmen gegeben. Doch genau dieser Treiber für Übernahmen drohe nach Daniel Stelter in den kommenden Monaten wegzubrechen, denn die FED scheine es trotz einer sich abzeichnenden Abkühlung der US-Wirtschaft ernst zu meinen mit einer weiteren Erhöhung der Zinsen.

Die EZB stoße auch bald an ihre selbst auferlegte Grenze für weitere Markt-Stimulierungen während in China das Kreditwachstum abnehme. Damit würde der „Kreditimpuls“ und die positive Wirkung auf Realwirtschaften und Märkte sinken, begründet Daniel Stelter das sich abzeichnende Ende des Kreditzyklus, an den – wie ebenfalls schon berichtet – die Versicherungen auf breiter Front hingegen nicht glauben.

Steigende Zinsen würden die Übernahmen deutlich verteuern, weshalb es also besser sei, noch schnell die Deals durchziehen, die vielleicht in wenigen Monaten nicht mehr finanzierbar wären. Die Erwartung steigender Zinsen hätte sich auch bei den letzten Booms von Fusionen und Übernahmen als einer der Treiber erwiesen. Dass die Märkte in den letzten Wochen korrigiert hätten, dürfte nach Einschätzung von Daniel Stelter ein weiteres Argument dafür sein, mit welchem die Unternehmen von Beratern und Bankern davon überzeugt würden, jetzt noch zuzuschlagen.

Bullenmarkt: Letzter Anstieg vor Börsencrash?

Gut möglich sei es nach Daniel Stelter deshalb, dass wir vor einigen spannenden Börsenwochen stehen, die durchaus neue Höchststände selbst an schon teuren US-Aktienmärkten bringen könnten. Getrieben werde dieser Prozess von Unternehmen, die mit der Übernahme von Wettbewerbern darauf hofften, die eigene Position um jeden Preis verbessern zu können. Hauptbranchen seien nach Stelter, Pharma, Telekom, die chemische Industrie, Konsumgüter und der Technologiesektor.

Aus Investorensicht sei dies kurzfristig erfreulich. Die Märkte würden steigen und wenn man gezielt auf potenzielle Übernahmekandidaten setze – bzw. spezialisierte Fonds kaufe – würden schöne Einmalgewinne winken. Behalten solle man jedoch die Aktien der kaufenden Unternehmen auf keinen Fall. Ihnen drohe, im Zuge der unweigerlich bevorstehenden Korrektur an den Börsen, der größte Einbruch. Daniel Stelter erinnert in diesem Zusammenhang an die Übernahme von Time Warner durch AOL im Januar 2000.

Auf jeden Fall wäre die durch Aktienrückkäufe der Unternehmen verlängerte Hausse der letzte Anstieg in einem Bullenmarkt, der sich seinem Ende nähere. Das sei eine gute Gelegenheit, um Risiken zu reduzieren und das Portfolio wetterfest zu machen. Sollte er sich irren und in den nächsten Wochen ein Rückgang der Übernahmetätigkeit in den USA einsetzen, dürften wir das Ende des Bullenmarktes und die Höchstkurse bei Aktien bereits gesehen haben, schrieb Daniel Stelter.

Raimund Brichta: Kurswechsel in Sachen Börsencrash?

Überraschend hat auch Raimund Brichta, bekannt aus der NTV-Telebörse, seine bisher optimistische Einschätzung über die Fortdauer des Bullenmarktes bei Aktien etwas revidiert, in dem er schrieb, dass es letztlich egal sei, was gerade als Begründung für Kursbewegungen herumgereicht werde: Trump, Korea, Charts etc.! Es komme auf die Kursbewegungen als solche an. Er ignoriere deshalb in der Regel solche Begründungen, wenn er von einer positiven Grundtendenz überzeugt sei.

So habe er seit über einem Jahr jegliche Börsenzuckungen ignoriert, weil er von der Fortsetzung des Bullenmarktes überzeugt gewesen sei. Nun rechne er zwar auch nicht mit einem Börsencrash, aber nach einem Anstieg wie in den letzten Monaten erscheine ihm zumindest eine Spätsommer- bzw. Herbstkorrektur als möglich.

In einer solchen Situation könne dann eben auch ein „Kreuzwiderstand“, wie er kürzlich im DAX aufgetreten sei, eine Rolle spielen, so Brichta. Den gleichen hätte er vor einem Jahr noch komplett ignoriert. Es komme eben nicht auf die Charts alleine an, sondern immer auch auf das gesamte börsenpsychologische Umfeld. Deshalb wolle Raimund Brichta das Risiko jetzt reduzieren und den Cash-Bestand seines „Wahre-Werte-Depots“ erhöhen.

Zusammenfassung:
Titel:
Countdown zum Börsencrash: Daniel Stelter über Bullenmarkt
Kurzbeschreibung:
Serie "Countdown zum Börsencrash": Warum und wann Dr. Daniel Stelter das Ende des Kreditzyklus und damit das Ende des Bullenmarktes bei Aktien erwartet.
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