Richard Werner: EZB könnte die Schuldenkrise schnell lösen

Prof. Richard Werner ist davon überzeugt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Schuldenkrise in Europa schon viel früher hätte lösen können. Erst jetzt beginnt die EZB jedoch damit, die richtigen Schritte einzuleiten. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Gründe die EZB bewogen haben, zuerst andere Maßnahmen zu ergreifen und Europa in die heutige Situation zu bringen, die eine höhere Verschuldung von Bürgern, Banken und Staaten produziert, hohe Arbeitslosigkeit erzeugt, Wirtschaftswachstum blockiert, sowie nationalistische und radikale politische Strömungen erheblich gestärkt hat.

Richard Werner: EZB könnte die Schuldenkrise lösen

25.10.2016: Prof. Richard A. Werner, der seit dem Jahr 2005 an der Universität in Southampton internationales Bankwesen lehrt, als Erfinder des Begriffs „Quantitative Easing“ (geldpolitische Lockerung) der Notenbanken gilt, sowie zwei noch weit verbreitete Geldtheorien widerlegt und die Geldschöpfungstheorie bewiesen hat, empfahl der EZB schon vor einigen Jahren, den privaten Banken gerade die schlechten Kredite abzukaufen. Nach Überzeugung von Richard Werner sei das die günstigste Art, die Schuldenkrise zu überwinden, wenn den Banken dafür gleichzeitig harte Auflagen gemacht würden.

Richard Werner: EZB könnte die EU-Schuldenkrise schnell lösen

Demnächst wird die EZB damit beginnen, gebündelte Wertpapiere (Asset Backed Securities, kurz: ABS) und Pfandbriefe aufzukaufen, die auch mit schlechten Krediten unterlegt sind. Damit folgt sie in einem gewissen Umfang der Empfehlung von Richard Werner, der jedoch kritisiert, dass das schon viel früher hätte geschehen müssen, anstelle mit vielen Milliarden an Steuergeld die Banken zu retten, was im Ergebnis viel teurer wäre.

Prof. Werner kritisiert auch, dass die EZB aber nicht die schlechten Kredite der Banken pauschal und auch nicht zum Nominalwert aufkauft. Das wäre wirkungsvoller und würde den Instituten am meisten helfen, weil der daraus erzielte Gewinn die Kapitalbasis der Banken stärken würde. Die Banken könnten sich dadurch ohne den Einsatz von Steuergeldern sanieren und dann auch wieder mehr Kredite an die Realwirtschaft, insbesondere an kleine und mittelständische Unternehmen vergeben.

Exkurs zu Richard Werner’s Konzept:

Um diese Sicht von Richard Werner nachvollziehen zu können, ist es wichtig zu verstehen, dass Zentralbanken anders bilanzieren als Geschäftsbanken. Wenn Banken vom Staat gerettet werden, dann zahlen wir Steuerzahler, weil der Staat die Garantien – oder wenn er den Banken direkt Geld zur Verfügung stellt – das jeweils über die Steuereinnahmen abdecken muss. Eine Zentralbank muss das nicht, denn sie kann Wertpapiere ggfs. bis zum Laufzeitende zum Nominalwert bilanzieren. Solange sie das tut, entsteht ihr im Gegensatz zu Geschäftsbanken, die zum Marktwert bilanzieren und Minderwerte abschreiben müssen, nicht einmal ein Buchverlust. Die Bank of England hat hierzu eine eigene Zweckgesellschaft, deren Anteile immer zum Nominalwert in der Bilanz der Zentralbank stehen.

Selbst wenn die Zentralbank nach vielen Jahren doch eine Abschreibung auf ein Wertpapier vornehmen sollte, bedeutet das noch lange nicht, dass sie insgesamt einen Verlust erleidet, denn darüber entscheidet die Summe aller getätigten Wertpapiergeschäfte, von denen jede Zentralbank kontinuierlich viele durchführt. Aber selbst wenn eine Zentralbank einen Buchverlust erleidet, muss dafür nicht der Steuerzahler haften, denn dazu müsste schon das ganze Eigenkapital aufgezehrt sein.

Die Aufgabe einer Zentralbank ist es jedenfalls nicht, Profite zu erwirtschaften, dazu bräuchte sie nur Geld zu drucken. Denn mit der Lizenz zum Gelddrucken lassen sich auch leicht Gewinne erzielen. Deshalb sind die Verluste einer Zentralbank mehr theoretisch, denn es sind keine echten Verluste.

Kauft eine Zentralbank beispielsweise notleidende Kredite von einer Geschäftsbank zum Buchwert von 100, obwohl sie am Markt nur einen Wert von 20 erbringen würden, macht sie nicht einen Verlust von 80, sondern einen Gewinn von 20, weil sie Forderungen im Wert von 20 erhält, hinter denen echte Leistungen stehen, dafür im Gegenzug aber nur leistungsloses Zentralbankgeld von 100 zur Verfügung stellt, weil sie es einfach drucken kann.

Richard Werner: EZB hat Schuldenkrise begünstigt

Die zentrale Aufgabe einer Zentralbank ist die Steuerung der Geschäftsbanken, die 90 Prozent der umlaufenden Geldmenge durch Kredite erzeugen (Geldschöpfung). Leider hat die EZB eine konservative Geldpolitik bereits vor zehn Jahren vernachlässigt und 30 Prozent Kreditwachstum in Irland, Portugal, Spanien und Griechenland über mehrere Jahre zugelassen, wie Prof. Hans-Werner Sinn und andere Ökonomen schon lange kritisieren.

Aber wenn einmal ein solcher Weg eingeschlagen wurde, zu den Gründen kommen wir noch, ist es geradezu zwingend erforderlich ebenso drastische Methoden anwenden, um die schwerwiegenden und leider auch absehbaren Folgen beseitigen und wieder zu einer konservativen Geldpolitik zurückkehren zu können, davon ist Richard Werner überzeugt. In seinem Buch „Princes of the Yen“ hatte Prof. Werner bereits in 2003 davor gewarnt, dass die EZB auf dem Weg ist, die gleichen Fehler zu begehen, wie vor ihr die Bank of Japan (BoJ).

Richard Werner: EZB sollte Kredite pauschal aufkaufen

Den Banken gerade ihre schlechten Kredite abzukaufen, so wie es Richard Werner vorgeschlagen hat, darf jedoch nicht ohne Gegenleistung erfolgen, um zu verhindern, dass die Geschäftsbanken – wie vor der Finanzkrise – wieder zu leichtfertig Kredite für Investitionen außerhalb der Realwirtschaft vergeben. Banken müssen akzeptieren, dass die EZB erstens ihre Geschäfte überwacht und zweitens bereit sein, ihr Geschäftspolitik auf die elementare Aufgabe zu konzentrieren, die Banken in einer Marktwirtschaft haben – die Vergabe von Krediten für realwirtschaftliche Investitionen. Finanzkredite und Konsumkredite müssen hingegen reduziert werden, denn beide Kreditarten sind nicht fähig die reale Wirtschaftsleistung zu steigern.

Durch so eine Kreditlenkungspolitik gelang Japan sein Wirtschaftswunder, wurde die kleine Insel Taiwan ein Wirtschaftsgigant, eroberte Korea die Weltmärkte und wurde China schließlich eine globale Wirtschaftsmacht, die fast schon zu den USA aufgeschlossen hat.

Was wir nach 10 Jahren verfehlter Geldpolitik bei der EZB heute immerhin sehen, ist die zunehmende Erkenntnis, die Prof. Richard Werner bereits 1992 formulierte, dass Kredite vor allem für Investitionen in der Realwirtschaft eingesetzt werden müssen. Auch wenn das neue Programm für Langfristkredite, welche die EZB den Geschäftsbanken seit März 2016 zur Verfügung stellt, diesem Anspruch nicht ganz gerecht wird, darf dieses Zentralbankgeld nur dann als Mindestreserve eingesetzt werden, wenn die Geschäftsbanken mittelständischen Unternehmen und damit der Realwirtschaft Giralgeld-Kredite gewähren.

Mögliche Gründe für die verfehlte EZB-Geldpolitik

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum die EZB so lange gebraucht hat, um diese Erkenntnis zu gewinnen oder gewinnen zu wollen? Hatte sie möglicherweise andere Ziele, die mit einer Förderung der europäischen Realwirtschaft in Widerspruch standen, und wenn ja welche?

Der Journalist Norbert Häring ist der Meinung, dass es der EZB um ihren eigenen Machtausbau und darum geht, eine europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik nach ihren neoliberalen Vorstellungen durchzusetzen, sowie Kompetenzen gegen den Volkswillen auf die europäische Bühne nach Brüssel zu verlagern. Nur wenn die Krise sich so zuspitzt, dass wichtige Banken bankrott zu gehen drohen und die Währungsunion zerfallen könnte, greift die EZB ein, indem sie die Krise entschärft, aber ohne sie zu lösen. Eine These von Norbert Häring die nur schwer zu entkräften ist.

Es könnte Mitgliedern der EZB-Führung aber auch darum gehen, eine dauerhafte Krise zu erzeugen, weil dadurch die Staaten der Eurozone sich immer weiter verschulden müssen, damit das herrschende Schuldgeldsystem – das im heutigen Stadium immer mehr Verschuldung erfordert – überleben kann.

So wie Japan seit Anfang der 1990er Jahre, wird auch die EU seit 2010 durch die Geldpolitik der eigenen Notenbank im Krisenmodus gehalten und wirtschaftlich und politisch geschwächt, was im Gegenzug zu einer Stärkung der USA führt – ein Tribut der Vasallen an die einzige Weltmacht? Zudem ist EZB-Präsident Mario Draghi neben Kenneth Rogoff und Larry Summers ein wichtiger Vertreter der Anti-Bargeld-Fraktion, die mit einer Bargeld-Abschaffung und Negativzinsen möglicherweise eine zukünftige Zwangsabgabe zum Abbau der Überschuldung durch die Bürger in Betracht zieht.

Die mit der anhaltenden Krise verbundene wirtschaftliche Spaltung Europas könnte auch dazu genutzt werden, die Gegner einer politischen Union zu nötigen, diese Haltung aufzugeben und sich endlich zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ zusammenzuschließen. Dass es in Wahrheit um die Realisierung einer politischen Union in Form der „Vereinigten Staaten von Europa“ geht, begründet Prof. Richard Werner im Beisein von Prof. Thomas Mayer in diesem Video.

Die letzten beiden spekulativen Ziele hatten wir ausführlich in dem Beitrag über die inoffizielle Geldpolitik der EZB beschrieben.

Zusammenfassung:
Titel:
Richard Werner: EZB könnte die EU-Schuldenkrise lösen
Kurzbeschreibung:
Prof. Richard Werner kritisiert, die EZB hätte die Schuldenkrise in Europa früher lösen können. Aus welchen Gründen hat sie das ggfs. bewusst unterlassen?
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Inflationsschutzbrief © 2016