Nullzinsen: EZB-Notfallprogramm gegen Weltwirtschaftskrise 2016

Notfallprogramm gestartet: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern ein Bündel an Maßnahmen auf ihrer Pressekonferenz bekannt gegeben, die heftige Reaktionen an den Finanzmärkten auslösten. Neben Nullzinsen für kurzfristig geliehenes Zentralbankgeld, höheren Strafzinsen für Banken, einer Ausweitung des Anleihekaufprogramms, der Auflage eines langfristigen Programms zur Refinanzierung von Banken, kauft die EZB auch bonitätsschwächere Anleihen von Unternehmen auf. Sind das alles Maßnahmen gegen die zu niedrige Inflation in der Eurozone oder gegen eine drohende Weltwirtschaftskrise?

EZB-Maßnahmen: Notfallprogramm - Nullzinsen gegen Weltwirtschaftskrise 2016

In ihrem Kampf gegen die zu geringe Kreditvergabe der Banken, das zu niedrige Wirtschaftswachstum und die Mini-Inflation, greift die Europäische Zentralbank (EZB) jetzt zwar noch nicht zu Helikoptergeld, dafür aber zu anderen drastischen Maßnahmen. Die EZB verabschiedete damit quasi ein Notfallprogramm. Die Frage ist nur für wen, für die Eurozone oder für die Weltwirtschaft?

EZB beschließt Nullzinsen und ein Bündel von Maßnahmen

Erstmals in ihrer Geschichte senkt die EZB den wichtigen Zinssatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld von bislang 0,05 auf historische 0,00 Prozent und führt damit Nullzinsen ein. Die Zentralbank erhöht ab April zudem ihr Programm zum Ankauf von Anleihen von monatlich 60 auf zukünftig 80 Milliarden Euro. Neben Banken- und Staatsanleihen wird die EZB zukünftig auch Anleihen von Unternehmen mit geringerer Bonität aufkaufen. Insgesamt erhöht sich damit der Umfang des Programms bis April 2017 von 1,5 Billionen Euro auf 1,74 Billionen Euro. Banken die Geld bei der EZB parken, müssen dafür zukünftig statt 0,3 Prozent jetzt 0,4 Prozent Strafzinsen bezahlen. Im Gegenzug können Banken besonders günstige längerfristige Kreditlinien (TLTRO II) in Anspruch nehmen.

EZB startet Notfallprogramm statt Helikoptergeld

Mit dem gestern beschlossenen Notfallprogramm liefere die EZB im Rahmen ihrer Geldpolitik (nach eigenen Angaben) erhebliche Anreize, um den erhöhten Risiken einer Deflation entgegen zu wirken. Die Zinsen werden für eine sehr lange Zeit niedrig bleiben, sagte EZB Präsident Mario Draghi auf der Pressekonferenz. Die Zentralbank strebt eine Inflationsrate von knapp 2 Prozent an, ist davon aber momentan sehr weit entfernt. Im Februar waren die Preise im Währungsraum sogar um 0,2 Prozent gesunken und hatten damit die Sorge ausgelöst, dass eine zu geringe Kreditvergabe der Geschäftsbanken die notwendige Ausweitung der Geldmenge behindern und eine Abwärtsspirale aus fallenden Preisen, sinkenden Löhnen und Kreditausfällen (Deflation) in Gang setzen könnte.

Offiziell soll der niedrige Ölpreis dafür verantwortlich sein, dass die Inflationsrate auch in den nächsten Monaten sehr niedrig oder zeitweise sogar negativ bleiben wird, begründete Mario Draghi das Bündel an Maßnahmen. Die Verbraucherpreise werden nach der neuen EZB-Prognose in diesem Jahr voraussichtlich nur um durchschnittlich 0,1 Prozent steigen. Noch im Dezember 2015 waren die Experten der EZB von einem Anstieg der Verbraucherpreise von 1 Prozent für 2016 ausgegangen. Der niedrige Ölpreis ist aber kein Grund dafür, warum die Wirtschaft in der Eurozone kaum in Schwung kommt. Der Grund ist vielmehr, dass die Nachfrage der breiten Bevölkerung in vielen Ländern Europas zu gering ist, denen einfach das Geld fehlt.

Viel größer sind die Probleme in Schwellenländen wie Brasilien, Russland und China. Dort sind die Kreditblasen bereits geplatzt, wodurch das Wachstum der globalen Kreditgeldmenge gebremst wird und eine Weltwirtschaftskrise durch Deflation auszulösen droht, wie sich an dem historisch niedrigen Stand des Baltic-Dry-Index zeigt. Das erklärt auch die von vielen Experten als unerwartet drastisch bezeichneten Maßnahmen der EZB, die in Wahrheit ein Notfallprogramm für die Weltwirtschaft zu sein scheinen. Die EZB will damit offensichtlich eine drohende Weltwirtschaftskrise in 2016 bekämpfen, die von verschiedenen Experten bereits prognostiziert wurde. Das würde auch erklären, warum die EZB nicht das zur Ankurbelung der Wirtschaft in der Eurozone viel besser geeignete Helikoptergeld einsetzen will, denn eine beflügelte Eurozone würde nicht ausreichen, um eine Weltwirtschaftskrise zu verhindern. Was Helikoptergeld ist und welche Vorteile damit verbunden sind, siehe Prof. Dr. Thomas Mayer prognostiziert Helikopter-Geld.

Aus diesen Gründen senkt die EZB den Zinssatz für Banken, die sich Zentralbankgeld leihen, von bisher 0,05 auf 0,00 Prozent und erhöht das Ankaufprogramm für Anleihen von bisher 60 Milliarden auf 80 Milliarden Euro pro Monat. Dafür müssen die Geschäftsbanken künftig mit einem höheren negativen Einlagensatz von 0,4 Prozent zurechtkommen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Diese Strafzinsen lagen zuvor bei –0,3 Prozent. Damit will die Zentralbank die Geschäftsbanken motivieren die Kreditvergabe auszuweiten, die zuletzt nur in wenigen Länder der Eurozone, wie in Deutschland, in Schwung gekommen war. Jedoch sieht Mario Draghi in den höheren Strafzinsen kein Problem für die Banken, weil diese im Gegenzug günstige langfristige Kreditlinien sog. TLTRO-Geschäfte (Targeted Longer-Term Refinancing Operations) mit einer Laufzeit von vier Jahren ab Juni 2016 in Anspruch nehmen können.

Das Notfallprogramm der EZB im Überblick

(1) Der Hauptrefinanzierungssatz wird um 5 Basispunkte von 0,05 auf 0,00 Prozent gesenkt (Nullzinsen).

(2) Der Spitzenrefinanzierungssatz wird um 5 Basispunkte von 0,3 auf 0,25 Prozent gesenkt.

(3) Der Einlagenzinssatz wird um 10 Basispunkte von -0,3 auf –0,4 Prozent gesenkt.

(4) Die Anleihenkäufe (Quantitative Easing, QE) werden ab April 2016 von 60 auf 80 Milliarden Euro monatlich erhöht.

(5) Die EZB kauft jetzt auch Unternehmensanleihen mit dem Rating „Investment Grade“, die von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors emittiert wurden.

(6) Die EZB führt eine neue Runde der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte für Banken (Targeted Longer-Term Refinancing Operations, TLTRO II) mit einer Laufzeit von vier Jahren ab Juni 2016 ein.

 

Welche Folgen sich aus den Nullzinsen und dem restlichen Bündel an Maßnahmen des EZB-Notfallprogramms für den Goldpreis ergeben könnten, zeigt das folgende Video:

EZB-Maßnahmen: Notfallprogramm mit Nullzinsen - Folgen für Goldpreis

Eurozone: EZB-Maßnahmen werden wenig bewirken

Trotz des Bündels an neuen EZB-Maßnahmen (Nullzinsen uvm.), wird das gestern beschlossene Notfallprogramm entweder kaum wirken oder die Eurozone in eine gefährliche Richtung treiben. Denn in den Ländern der Eurozone deren Wirtschaft dringend eine höhere Kreditvergabe der Banken braucht, sind auch die Kreditrisiken hoch, weil einerseits bereits eine hohe Verschuldung existiert, andererseits die Nachfrage als auch die Wettbewerbsfähigkeit niedriger sind, als in den starken Ländern der Eurozone. Infolge dessen werden die Banken in den schwächeren Euro-Staaten entweder kaum mehr Kredite als vorher vergeben oder mehr Kreditausfälle hinnehmen müssen.

In beiden Fällen werden diese Banken gezwungen sein, die Negativzinsen sukzessive an ihre Bankkunden weiterzugeben. Die Kunden werden dann Giroguthaben von ihren Konten abziehen und Bargeld horten, wodurch die Ertragslage dieser Banken weiter leidet, was sie gegenüber einer neuen Finanz- und Weltwirtschaftskrise anfällig macht. Dadurch steigt auch ihre Abhängigkeit von der EZB, die letztendlich eine Konzentrationsprozesse, wie bei den (Zombi-)Banken in Griechenland, auslösen dürfte.

EZB-Notfallprogramm gegen Weltwirtschaftskrise 2016?

Bei dieser Geldpolitik muss sich der aufmerksame Beobachter ernsthaft fragen, um was es einzelnen Personen in der EZB wirklich geht, denn das gestern beschlossene Notfallprogramm ist wenig geeignet, um Wirtschaftswachstum in der Eurozone zu erzeugen, denn dafür wäre das direkt auf den Konsum wirkende Helikoptergeld schneller und effektiver gewesen. Vielmehr dürfte es darum gehen, neues Geld in die Finanzmärkte zu pumpen, damit die globale Geldmenge zu erhöhen, durch steigende Aktienmärkte Vertrauen in die Stabilität des Geld- und Finanzsystems zu erzeugen, um eine Weltwirtschaftskrise in 2016 zu verhindern.

Ist es darüber hinaus denkbar, dass eine kleine Machtelite, unter Zuhilfenahme der EZB-Geldpolitik, die Schwächung der Eurozone zugunsten der USA betreibt, und einzelne Protagonisten gleichzeitig an der dadurch ausgelösten Konzentrationswelle im Bankensektor der schwächeren Euro-Länder, erneut dreist abzukassieren wollen, so wie in Griechenland?

Der bekannte und sehr ehrenwerte Journalist Harald Schumann hat die Hintergründe der Konzentrationswelle bei griechischen Banken im Zusammenhang mit dem „Zypern Bail-in“ recherchiert und dabei erschreckende Erkenntnisse gewonnen, durch welche sich derartige Spekulationen geradezu aufdrängen. Siehe folgendes Video:

EU-Parlament - Anhörung von Harald Schumann zur EZB

EZB-Notfallprogramm erzeugte Börsenturbulenzen

Die Beschlüsse sowie die Ausführungen von Mario Draghi lösten an den Börsen heftige Reaktionen aus, weil die Marktteilnehmer das erhoffte Öffnen der Geldschleusen zunächst sehr positv aufnahmen, durch die Vielzahl der Maßnahmen dann aber doch großere Probleme vermuteten. Der Euro sackte deshalb gegenüber dem Dollar zunächst ab und verbilligte sich zeitweise um mehr als 1 US-Cent auf 1,0836 Dollar, um anschließend wieder über die Marke von 1,10 Dollar zu steigen. Auch der DAX kletterte gestern zeitweise um bis zu 2,7 Prozent auf ein Zweimonatshoch von 9989 Punkten, um anschließend bis auf 9420 Punkte zu fallen. Am heutigen Freitag erholte sich der DAX zwischenzeitlich bis auf 9890 Punkte (+ 4,13 Prozent).

Pressekonferenz: Mario Draghi zu den EZB-Maßnahmen

Im seinem Einführungsstatement fasste Mario Draghi zunächst die neuen Maßnahmen des Notfallprogramms zusammen und erläutert die Einschätzung zur Wirtschaftslage der Eurozone. Die Ausweitung des Ankaufprogramms für Anleihen und die neue Finanzierungsrunde von TLTRO II sollen sicherstellen, dass die Realwirtschaft mit zusätzlicher Liquidität versorgt wird. Mit diesen Maßnahmen will die EZB ihrem Inflationsziel von knapp unter 2% wieder näherkommen.

Die Binnennachfrage habe im vergangenen Quartal das Wachstum in der Eurozone angekurbelt. Die lockere Geldpolitik werde den Konsum auch in den kommenden Monaten stützen, erwartet Mario Draghi. Dennoch seien die Wachstumsaussichten trüb und die Abwärtsrisiken würden überwiegen. Das liege insbesondere an der schwierigen globalen Wirtschaftslage.

Für das laufende Jahr erwartet Draghi eine Teuerung von +0,1%. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die niedrigen Energiepreise, die auf die Preise drücken. 2017 soll die Inflation auf 1,3% anziehen. Die weiteren geldpolitischen Maßnahmen seien nötig, um die Erholung der Eurozone sicherzustellen und voranzutreiben.

TLTRO II wird im Juni 2016 starten und quartalsweise durchgeführt. Die letzte Zuteilung erfolgt im März 2017. Mit TLTRO II soll die Kreditvergabe weiter angekurbelt werden. Zudem stehen Refinanzierungen an, die damit sichergestellt werden sollen.

Nach Draghi sei eine weitere Ausweitung der Negativzinsen derzeit nicht vorgesehen. Er wies aber darauf hin, dass die Negativzinsen die Ertragslage der Banken schwächen könnten. Die EZB sei sich aber der Komplexität dieses Instruments bewusst.

Klar sei hingegen noch nicht, welche Unternehmen als „Unternehmen außerhalb der Finanzbranche“ klassifiziert werden. Eine dafür eingesetzte Arbeitsgruppe werde diese Unternehmen noch spezifizieren. Die EZB will damit die Kreditvergabe an die Realwirtschaft direkt ankurbeln.

Nach Mario Draghi hätte eine Mehrheit des EZB-Rats den gestern beschlossenen Maßnahmen zugestimmt. Aufgeben im Kampf gegen die Deflationsgefahr sei zudem keine Option, weil eine negative Preisspirale den Wert der angehäuften Schulden aufblähen würde und deshalb um jeden Preis verhindert werden müsse. Das Paket an Maßnahmen sei auch keine Überreaktion, weil es einfach notwendig wäre, die Wachstums- und Inflationsziele zu erreichen.

Die Notenbanken hätten noch immer Macht, wie das neue Maßnahmenpaket beweise, sagte Draghi. „Wir wollen handeln und wir haben die Instrumente dazu“, betonte er. Die Daten würden zudem die Wirksamkeit der Maßnahmen bestätigen. Der Abstand zwischen Kerneuropa und den Peripheriestaaten habe sich verringert, auch wenn das Wachstum nicht spektakulär sondern eher graduell sei.

Die direkte Finanzierung der Bürger mit dem sog. Helikoptergeld habe der EZB-Rat in Zusammenhang mit den jetzt beschlossenen Maßnahmen nicht diskutiert. Die Möglichkeiten des Helikoptergeldes seien aber interessant, so Mario Draghi.

Die Eurozone stecke derzeit nicht in einer Deflation, sagte Mario Draghi. Bis Ende des Jahres sollte die Inflation wieder anziehen, auch dank der gestern beschlossenen Maßnahmen im Rahmen des Notfallprogramms der EZB. Doch es werde dauern, bis das Inflationsziel erreicht wird.

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Nullzinsen: EZB-Notfallprogramm gegen Weltwirtschaftskrise 2016
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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ein Notfallprogramm gestartet. Neben Nullzinsen für geliehenes Zentralbankgeld, höheren Strafzinsen für Banken, Ausweitung des Anleihekaufprogramms, Auflage eines langfristigen Programms zur Banken-Refinanzierung, kauft die EZB jetzt auch Unternehmensanleihen auf. Sind das Maßnahmen für die Eurozone oder gegen eine Weltwirtschaftskrise?
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Inflationsschutzbrief © 2016

2 thoughts on “Nullzinsen: EZB-Notfallprogramm gegen Weltwirtschaftskrise 2016

  1. Die Unternehmer sind verunsichert, investieren nicht und daher wird das Geld spekulativ eingesetzt. In Wirklichkeit wird der Schaden durch die Politik des billigen Geldes weiter vergrößert und die vorsätzliche Enteignung der Sparer in der EU wird forciert.

  2. Die Banken bekommen Kredite zu Nullzinsen oder werden gar noch dafür bezahlt, während den Sparern auf breiter Front die gesetzlich verordnete Enteignung droht. Ein Elite-Banker als Leiter der EZB halte ich für einen Fehler!

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