Thomas Mayer: EZB sollte Helikoptergeld einsetzen

Helikoptergeld könnte die Lösung der EZB-Probleme sein, sagt Thomas Mayer. Die EZB versucht seit geraumer Zeit die Kreditvergabe der Banken und damit das Wirtschaftswachstum in der Eurozone anzukurbeln, um mehr Inflation zu erzeugen. Bisher ist eine steigende Inflationsrate aber nicht in Sicht. Dr. Thomas Mayer, der ehemalige Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, hat vor einigen Wochen vorgeschlagen, die EZB sollte in der Eurozone eine Art Helikopter-Geld einführen. Was ist von dieser Idee zu halten?

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Dr. Thomas Mayer, der 2012 als Chef-Volkswirt der Deutschen Bank aufgrund von Meinungsdifferenzen zurücktrat, ist der Ansicht, dass es der EZB nicht gelingen wird, mit den OMT-Programmen, zu denen auch der Ankauf von Staatsanleihen über das Public Sector Purchase Programm (PSPP) gehört, eine steigende Inflation zu erzeugen. Thomas Mayer befürchtet zudem, dass wir uns gegenwärtig eher vor dem Beginn der nächsten Rezession als vor einem neuen Aufschwung befinden.

Möglichkeiten der EZB

Der gegenwärtige Aufschwungzyklus, der im Zuge der Finanzkrise, Schuldenkrise und Eurokrise lange schwer als solcher erkennbar war, ist schon mehrere Jahre alt und nach wie vor von schwacher Intensität. In den USA drohen ihm Gefahren durch den Rückgang der Unternehmensgewinne, wie sich im aktuellen Berichtsquartal zeigt. Aus den Schwellenländern ist ebenfalls wenig Positives zu vernehmen, seit diese unter rückläufiger Kreditvergabe und fallenden Rohstoffpreisen leiden. In der Eurozone kämpften die Staaten, mit Ausnahme von Deutschland, noch gegen die Schuldenkrise. Geht der Export in Europa zurück, kann es deshalb sehr schnell gehen und die nächste Rezession stellt sich ein.

Da der aktuelle Aufschwungzyklus durch die Schuldenkrise an vielen Staaten weitgehend vorbeigegangen ist, könnte deren Wirtschaftspolitik einer neuen Rezession wenig entgegensetzen. Die extrem hohe Verschuldung, die viele Staaten zur Bewältigung der Finanzkrise aufgebaut haben, lastet noch immer schwer auf deren Schultern. Eine erneute Finanzierung durch staatliche Verschuldung wie nach der Bankenkrise in 2008, zur Bekämpfung der Rezession, können sich viele Staaten aber nicht mehr leisten, da sonst der Staatsbankrott droht. Auch die Geldpolitik der EZB ist fast am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen.

Thomas Mayer prognostiziert EZB-Helikoptergeld

Einerseits können die Zinsen kaum noch tiefer fallen, andererseits lassen sich die Bilanzen der Zentralbanken durch weitere Aufkäufe von Vermögenswerten kaum noch ohne Folgen ausweiten, was schon heute nur noch wenig Wirkung zeigt (Deflation). Was nun, fragt Thomas Mayer und prognostiziert, dass das neue Allheilmittel „Helikoptergeld“ heißen wird. Als 2001 die Technologieblase am Aktienmarkt platzte, brachte der spätere Präsident der US-Notenbank FED, Ben Bernanke, der damals noch einfaches Mitglied im Zentralbankrat war, dieses Modell in die Diskussion, die ihm deshalb auch den Spitznamen „Helikopter-Ben“ einbrachte.

Gemeint war damit, dass eine Zentralbank im Notfall eben Geld aus Helikoptern über der Bevölkerung abwerfen müsse, um Deflation und Depression zu verhindern. Konkret würde das bedeuten, dass die Zentralbank den Menschen Geld direkt zur Verfügung stellt, wenn die Banken durch die bestehenden Altlasten nicht ausreichend motiviert werden können, neues Geld durch die Kreditvergabe zu schöpfen (siehe Geldschöpfung). Geld aus Helikoptern abzuwerfen, sollte die Lösung des Problems seinerzeit jedoch nur sinnbildlich veranschaulichen. Praktisch könnte die Zentralbank Bargeld per Post an die Menschen verschicken, oder, was sicherer und pragmatischer wäre, es auf die Zentralbankkonten der privaten Banken überweisen, mit der Premisse, den Bankkunden in gleicher Höhe Giralgeld auf ihren Konten gutzuschreiben.

Was soll Helikoptergeld bringen?

Mit dem sog. Helikoptergeld könnte also Geld und Kaufkraft geschaffen werden, ohne dass die Banken Kredite vergeben oder Staaten sich verschulden müssen, sagt Thomas Mayer. Die Geldausgabe ohne Gegenposten hätte allerdings zur Folge, dass das Eigenkapital der Zentralbank sinkt, ggfs. sogar negativ wird. Jedes andere Unternehmen wäre dann pleite, nicht aber eine Zentralbank wie die EZB, die Geld immer aus dem Nichts schöpft und als gesetzliches Zahlungsmittel in Umlauf bringt. Dr. Thomas Mayer sieht in einem geringeren oder negativen Eigenkapital jedoch keine Nachteile, denn wenn positives Eigenkapital in der Zentralbankbilanz den Zweck hat, das Vertrauen in die Geldwertstabilität zu festigen, dann müsste negatives Eigenkapital im Umkehrschluss dieses Vertrauen erschüttern. Infolge dessen würden die Zinsen steigen und die Menschen würden das Geld schneller ausgeben. Mit dem Helikoptergeld könnte die EZB das mit allen Mitteln verfolgte Ziel, Inflation herbeizuzwingen, tatsächlich erreichen, so Thomas Mayer.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass viele Menschen diese Maßnahme nicht verstehen und die EZB und ihren Präsidenten Mario Draghi für völlig verrückt halten würden. Jedoch würde das Helikoptergeld einen Neuanfang ermöglichen und das Schuldgeldsystem ablösen, da das Giralgeld dann nicht mehr über die Kreditvergabe der Banken, also durch private Verschuldung, sondern schuldenfrei direkt von der EZB geschaffen werden würde. Damit hätte die Geldsystem-Krise einen Sinn und ein positives Ende gefunden, glaubt Thomas Mayer. Das sehr interessante Video mit Thomas Mayer über den möglichen Kollaps des Finanzsystems und über die Rahmenbedingungen für Anleger, sollte man gesehen haben.

Video Thomas Mayer: Finanzsystem-Kollaps - Rahmenbedingungen Anleger (Helikoptergeld)

Was ist von Helikoptergeld zu halten?

Das Mayer’sche Modell des Helikopter-Geldes erinnert auf den ersten Blick an das bedingungslose Grundeinkommen, bei welchem jeder Bürger – unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage – eine gesetzlich festgelegte und für jeden gleiche – vom Staat ausgezahlte – finanzielle Zuwendung erhält, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Der Unterschied ist jedoch, dass sich der Staat bei dem bedingungslosen Grundeinkommen entweder verschulden oder das Geld dafür aus seinen Steuereinnahmen zulasten von anderen Ausgaben abziehen muss, wohingegen der Staat sich bei dem Helikoptergeld weder verschulden noch Steuergelder einsetzen muss, weil es von der EZB aus dem Nichts geschöpft wird. Dem Staat entgeht durch das Helikopter-Geld zwar ein Teil des Gewinns, den die Zentralbank erwirtschaftet und an ihn abführt, der Gewinnrückgang ist bei Helikopter-Geld aber deutlich geringer als eine Verschuldung oder Steuerverwendung, welche durch ein bedingungsloses Grundeinkommen erforderlich wäre.

Zusammenfassung:

Das von Thomas Mayer aufgegriffene Helikopter-Geld mag auf den ersten Blick vielleicht absurd erscheinen, es würde aber dazu beitragen, dass die durch die Geldschöpfung der Geschäftsbanken mittels Kreditvergabe entstanden Schulden und Zinslasten, unter denen Staaten und Bevölkerungen leiden, mit ebenfalls aus dem Nichts geschaffenem Zentralbankgeld abgebaut werden könnten. Das herrschende Geldsystem wäre refomierbar, da das verzinste Schuldgeld sukzessive durch zinsfreies gesetzliches Zahlungsmittel ersetzt werden würde. Interessant ist dabei auch, dass der Geldschöpfungsgewinn, den bisher die Banken neben den Zinsen einstreichen, bei der EZB verbliebe und damit das an die Bevölkerung fließende Helikoptergeld finanzieren könnte, ohne das der EZB dadurch ein Verlust entstehen muss. Es ist natürlich klar, dass sich die privaten Banken deshalb vehement gegen ein Helikopter-Geld aussprechen werden, weil es ihre Gewinnespanne schmälert.

Der bekannte Ökonom Heiner Flassbeck äußerte zu Helikoptergeld deshalb sehr realitätsnah, „dass Zentralbanken prinzipiell so vorgehen könnten, kann man nicht bestreiten. Aber ob sie in der Realität ein politisches, ökonomisches und gesellschaftliches Umfeld finden, in dem ein solches Vorgehen tatsächlich erfolgreich wäre, ist mehr als zweifelhaft.“ Selbiges gelte nach Heiner Flassbeck auch für den Vorschlag der Monetative, die das via Kreditvergabe geschöpfte Giralgeld der Banken durch Vollgeld (gesetzliches Zahlungsmittel) ersetzen will. Aus dem Unternehmertum gibt es jedoch viele Beispiele dafür, dass Ideen, die nicht sofort überzeugten, trotzdem erfolgreich umgesetzt werden konnten, weil sie mit Konsequenz und Ausdauer verfolgt wurden. Ob die Helikoptergeld-Befürworter oder auch die Vollgeld-Anhänger diese Tugenden mitbringen, bleibt abzuwarten.

3 thoughts on “Thomas Mayer: EZB sollte Helikoptergeld einsetzen

  1. Warum kaufen wohl Russland und China so viel Gold? Sie wissen das unser westliches Finanzsystem am Abgrund steht und wahrscheinlich nur noch ein paar Tage, Wochen oder im besten Fall Jahre bestehen wird. Und danach wird wie schon seit vielen tausend Jahren Gold das einzige echte Zahlungsmittel sein, das kann auch Helikoptergeld nicht verhindern!

  2. Das jetzige System wird es mit dem Helikoptergeld noch einmal schaffen das Ruder herumzureißen … das wird praktisch die letzte große Schlacht sein. Im übertragenen Sinne könnte man sagen, dass der Alkoholiker ein letztes Mal ein extra großes Glas eingeschenkt bekommt.

    Dadurch wird es dann noch einmal einen großen Boom geben und uns etwas Zeit verschaffen. Aber der finale Donnerschlag wird danach kommen -1929 (hoch 50).

  3. Die EZB betreibt bereits Staatsfinanzierung, ob direkt oder indirekt macht keinen wirklichen Unterschied. Mit Geldpolitik kann man keine Strukturprobleme lösen. Da kann die Notenbank noch so viel Helikoptergeld in Umlauf bringen. Es kommt nur zu einer großen Fehlallokation von Kapital. Das geht solange, bis die Blase der Jahrzehnte lang aufgebauten Schulden platzt.

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