Helikoptergeld würde Geldsystem verändern

Das Verteilen von Helikoptergeld wäre nicht bloß eine Notlösung, sondern es würde den Wandel vom Warengeld über das Schuldgeld hin zum Zeichengeld vollziehen. „So faszinierend der Gedanke auch sein mag, so unwägbar sind die Folgen“, schlußfolgert der Ökonom Rahim Taghizadegan in dem folgenden Beitrag.

Folgen Helikoptergeld Geldsystem

Gastbeitrag von Rahim Taghizadegan

Nachdem die exponentielle Geldmengenausweitung im Zuge des lockeren Geldpolitik (Quantitative Easing) bislang kaum in der Realwirtschaft ankommt, nimmt die Ratlosigkeit der Zentralbanken zu. Allerlei Maßnahmen wurden und werden dazu bemüht. Die vermeintlich letzte Maßnahme soll das Helikoptergeld sein – die direkte Verteilung von Geld direkt an die Bürger, das wie das Giralgeld der Banken (siehe Geldschöpfung) – aber ohne Verschuldung von Kreditnehmern – aus dem Nichts geschöpft wird, wie es einige EU-Abgeordnete fordern.

Helikoptergeld führt nicht zu Wertschöpfung

Hinter dem Helikoptergeld stehen drei grundverschiedene Aspekte, die zu trennen sind. Erstens handelt es sich um einen verzweifelten Schritt, mit der Ideologie des Keynesianismus die Ankurbelung der Wirtschaft gegen das Konsum- und Investitions-verhalten der Menschen durchzudrücken. Die Hoffnung ist, dass zusätzliche Liquidität – die sich in steigender Teuerung zeigen würde – zu Wertschöpfung führt, die den stockenden Konjunkturmotor wieder zum Laufen bringt. Diese Logik ist zwar populär, aber falsch.

Tatsächlich ist es sehr wahrscheinlich, dass durch Helikoptergeld die Preise bestimmter Konsumgüter und Dienstleistungen steigen werden. Dies wird aber nicht die sinnvolle Wertschöpfung erhöhen, sondern vor allem in den Konsum von Luxusgütern fließen, die sich Menschen dann gönnen, wenn sie unerwartet zu Geld gekommen sind: Reisen, elektronische Spielzeuge, Mode, Mahlzeiten und Erlebnisse.

Investitionen in neue Unternehmen können durch Helikoptergeld nicht in der erforderlichen Höhe erfolgen. Die vernünftigsten Empfänger werden damit ihre Schulden tilgen – ganz im Gegensatz zur Intention der Geldmengenausweitung. Dass Teuerung von Konsumgütern als Mittel der Wirtschaftsbelebung angesehen wird, ist eine verhängnisvoller Irrtum. Keine Volkswirtschaft kann sich reichkonsumieren, ebenso wenig wie sich Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen konnte.

Banken wird das Privilleg der Geldschöpfung entzogen

Zweitens ist Helikoptergeld ein erster Schritt, das Bankensystem von der Geldschöpfung zu trennen. Dies stößt auf das Wohlwollen der Vertreter eines sogenannten Vollgeldes, die zu Recht die Privilegierung der Banken-Geldschöpfung kritisieren. Als Geldschöpfer und Erstempfänger profitieren Banken gegenüber den späteren Empfängern des durch Kreditvergabe neu geschöpften Schuldgeldes (Cantilloneffekt), nachdem die Geldmenge dadurch erhöht, seine Kaufkraft aber gesenkt wird.

Jede Geldmengenausweitung geht mit einer Ausweitung des gesellschaftlichen Verschuldungsgrades einher, was der Volatilität der Konjunkturzyklen zusätzliche soziale Brisanz gibt. Die bankenlose und damit kreditfreie Geldschöpfung erscheint zweifellos zwar sozial gerechter, doch darf man die funktionellen Vorzüge eines Schuldgeldes nicht übersehen, auch wenn die ungerechte Privilegierung des Bankenkartells zur Bereicherung gewisser Schichten führt. Denn Schuldgeld setzt private Anreize der Disziplinierung. Banken haben – trotz der Verzerrungen durch Bail-outs und anderer Privilegien – noch immer Anreize, zumindest eine gewisse Disziplin bei der Kreditmengenausweitung walten zu lassen. Kredite werden in Aussicht auf Rückzahlung vergeben. Während die Kreditgeldschöpfung inflationär ist, wirkt die Kreditrückzahlung deflationär entgegen.

Schuldtitel, also Forderungen auf die Rückzahlung der Kredite, sind die wesentliche Wertdeckung des heutigen Geldsystems. Helikoptergeld löst wie Nullzinsen oder Negativzinsen diese Wertdeckung auf. Damit gehen die Anreize zu privater Partizipation und Kooperation im Finanzsystem verloren. Zentralbanken und Vollgeldvertreter kritisieren teilweise zu Recht die Macht privater Banken bei der Geldschöpfung.

Vor kurzem bezog etwa die Bank of England in einer Analyse eine Position, die konträr zu volkswirtschaftlichen Lehrbüchern steht, indem sie Geschäftsbanken zu den alleinigen Urhebern der Geldschöpfung erklärte. Doch auch eine vermeintlich „demokratische“ Kontrolle der Geldschöpfung würde letztlich geldpolitische Willkür bedeuten, wenn das disziplinierende Gegengewicht von profitorientierten Akteuren fehlt.

Mit Helikoptergeld von Warengeld zum Zeichengeld

Drittens würde mittels Helikoptergeld die Wandlung des Geldes vom Warengeld über das Schuldgeld zum Zeichengeld vollzogen. Letzteres bedeutet ein Geld, das in der Bilanz keine Gegenseite mehr hat, sondern reines Konventionszeichen ist. Dass das moderne Geldsystem diesen Zustand schon erreicht hat und die volkswirtschaftlichen Lehrbücher daher umgeschrieben werden müssten, ist die Position der postkeynesianischen „Modern Monetary Theory“.

Eigentlich handelt es sich dabei um eine Wiederbelebung der alten Staatstheorie des Geldes nach Georg F. Knapp, auch bekannt als Chartalismus. Die moderne Fassung dieser Theorie geht davon aus, dass die Staatsfinanzierung heute nicht mehr über Steuern erfolgt und Staatsschulden keine wirklichen Schulden sind, da die monopolistische Möglichkeit der Geldproduktion eine theoretisch unbeschränkte Ausgabe von Zeichengeld ermöglicht. In diesem Modell gibt es keine grundsätzliche Beschränkung der Staatsausgaben.

Steuern dienen nur der Steuerung der Nachfrage, besonders der Geldnachfrage, und Staatsbankrotte sind ein Ding der Unmöglichkeit – sofern das Monopol der Geldschöpfung beim Souverän liegt. Daher wäre Austeritätspolitik verfehlt, denn die Ökonomie der „Modern Monetary Theory“ steht auf dem Kopf: Steuerforderungen führen zur Geldnachfrage, Geldnachfrage führt zum Güterangebot, das wiederum auf staatliches Geldangebot angewiesen ist.

Mit dem fortgesetzten Brechen aller traditionellen Regeln der Geldpolitik nähert sich die Realität immer mehr dem Modell der „Modern Monetary Theory“ an. Zu seiner Geburtsstunde war der Chartalismus völlig falsch und bald ökonomisch widerlegt. Doch wenn die Realität nicht mit dem Modell übereinstimmt, umso schlechter für die Realität – so die Devise der modernen Ökonomik. Das Geld- und Finanzsystem hat einen schleichenden Wandel erfahren, bei dem politische Willkür und Ungerechtigkeit immer wieder die Erwartungen von Sparern und Produzenten durchkreuzt haben.

Zeichengeld beruht nur auf Vertrauen

In einem reinen Zeichengeldsystem werden Bilanzierungstricks, die heute um sich greifen, unnötig, weil die Illusion von ausgeglichenen Bilanzen aufgegeben wird. In diesem Sinne wäre der Übergang zum Zeichengeld ehrlicher, zudem würde die Verschuldungsspirale aufgebrochen.

Doch so faszinierend der Gedanke sein mag, so unwägbar sind die Folgen. Zeichengeld ist im Vergleich zu Schuldgeld in noch größerem Ausmaß Vertrauensgeld. Schon das Schuldgeld beruht auf Vertrauen, aber es wird durch die eingebaute Bereicherungsmöglichkeit akzeptiert. In einer Zeit schwindenden und zunehmend verspielten Vertrauens würde über einem Zeichengeld stets das Damoklesschwert völliger Wertvernichtung durch Vertrauensverlust stehen. Rationale Akteure hätten noch größere Anreize, das Zeichengeld so früh wie möglich abzustoßen.

Helikoptergeld würde Geldsystem radikal verändern

Helikoptergeld ist zwar ehrlicher und transparenter. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass es bei einer kurzzeitigen Notlösung bliebe. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Helikoptergeld den Präzedenzfall auslöst, der letztlich zum Ende des bestehenden Geldsystems führt. Denn Zeichengeld ohne Vertrauen bedeutet zuerst Geldzwang (um die Flucht aus dem Zeichengeld zu verhindern) und dann die totale Zwangswirtschaft.  Hinweis der Redaktion: Prof. Dr. Thomas Mayer erwartet das Helikoptergeld kommen wird, ist aber hinsichtlich der Folgen anderer Meinung.

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Hinweis:

Rahim Taghizadegan ist ein österreichischer Ökonom, Philosoph und Publizist. Der vorliegende Beitrag wurde der Redaktion über unseren neuen Service Gastbeitrag erstellen zur Veröffentlichung angeboten. Die Meinung des Autors muss nicht zwingend die Meinung der Redaktion widerspiegeln.