ESM und IWF erfinden neue Kredit-Kriterien für Griechenland

Wie jetzt bekannt wurde, ist der IWF auf Vorschlag des ESM von seinen eisernen Kredit-Kriterien abgewichen, um sich an dem 3. Hilfspaket für Griechenland zu beteiligen. Dazu hat der IWF das Kriterium „Schuldenquote“ durch das Kriterium „Schuldendienst“ ersetzt. Ein neuer Beweis dafür, dass die globale Verschuldung kaum noch zu bändigen ist und dem Schuldgeldsystem der Kollaps droht! Für Griechenland brechen jedenfalls noch härtere Zeiten an. Letzte Zuflucht Meteora oder kooperativer Grexit?

Griechenland: ESM und IWF erfinden neue Kredit-Kriterien (Inflationsschutzbrief)

Seit dem 19. August, als die nationalen Parlamente in der Eurozone das 3. Hilfspaket für Griechenland beschlossen, ist die Krise Griechenlands aus den Medien weitgehend verschwunden, so als wären die Probleme damit ausgestanden. Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus. Die Politik befürchtet, trotz der neuen Unterwürfigkeit von Alexis Tsipras, ein Aufbegehren des griechischen Volkes, wenn sich an den Verhältnissen in Griechenland nichts ändert. Denn den Gläubigern ist natürlich klar, obwohl die Griechen ihre Schulden niemals zurückzahlen werden, müssen sie Griechenland durch immer neue Kredite am Leben erhalten, um einen Zusammenbruch des Schuldgeldsystems zu verhindern. Nachdem der Großteil der Kredite aber zur Umschuldung alter Kredite und zur Bezahlung fälliger Zinsen verwendet werden muss, bleibt nicht mehr viel Geld aus dem Hilfspaket übrig, um die Verhältnisse in Griechenland spürbar zu verbessern. Es ist deshalb nur eine Frage der Zeit, bis die Bevölkerung in Griechenland erneut auf die Barikaden gehen wird.

Wie dramatisch die Lage ist, zeigen die Tilgungsfristen für griechische Kredite, die teilweise bis 2054 gestreckt wurden. Bis November ist auch geplant, weitere Laufzeitverlängerungen und Stundungen bei den Zinsen vorzunehmen. Die Zahlen sind dramatisch: Die Verschuldung Griechenlands betrug zu Beginn der Krise in 2010 ca. 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und stieg bis zum Juli 2015 auf 180 Prozent des BIP. Zusammen mit dem vor Kurzem beschlossenen 3. Hilfspaket über 86 Milliarden Euro, wird die Verschuldung des Landes 200 Prozent übersteigen.

IWF fordert Schuldenschnitt für Griechenland

Die Brüsseler Bürokraten hatten in den vergangenen Wochen zudem ein Problem mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der für seine Beteiligung am 3. Hilfspaket einen Schuldenschnitt für Griechenland forderte. Von diesem Schuldenschnitt wäre der IWF im Vergleich zu allen anderen Gläubigern nicht betroffen, da die Kredite des IWF gegenüber allen anderen Forderungen von Gläubigern immer vorrangig sind und keinem Schuldenschnitt unterliegen. Mit dieser Forderung stieß der IWF bei der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) jedoch auf taube Ohren. Denn beiden Institutionen ist natürlich bekannt, dass der Großteil der IWF-Kredite an Griechenland bei den größten amerikanischen Banken rückversichert ist, und diese Wallstreet-Banken sich einen Zusammenbruch Griechenlands deshalb ebenso wenig leisten können wie EU und EZB.

ESM und IWF erfinden neue Kriterien für Griechenland

Das Problem löste der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) und dessen Chef, Klaus Regling, so wie es sich für eine Schattenbank gehört, unbemerkt von der Öffentlichkeit. Der ESM regte vertraulich an, der IWF möge die Schulden Griechenlands, auf der Basis anderer Kriterien, einfach neu bewerten. Es wäre enorm hilfreich, wenn sich die Kreativität der Verantwortlichen, zur Lösung von Problemen, weniger auf die Folgen sondern mehr auf die Ursachen der Schuldenkrise konzentrieren würde.

Das Kriterium zur Berechnung der Schuldentragfähigkeit eines Landes war beim IWF bisher immer die Schuldenquote, die sich aus der bestehenden Verschuldung eines Landes im Verhältnis zu seiner Wirtschaftsleistung (BIP) ergibt. Diese durfte nach den IWF-Statuten bisher maximal 120 Prozent des BIP betragen, um IWF-Kredite in Anspruch zu nehmen. Nachdem die Schuldenquote Griechenlands durch das 3. Hilfspaket jedoch über 200 Prozent beträgt, musste ein neues Kriterium herangezogen werden, um die Finanzlage positiv bewerten zu können. Seit einigen Tagen gilt für den IWF deshalb nicht mehr nur die Schuldenquote, sondern auch der Schuldendienst als Kriterium, also die Fähigkeit des Schuldners laufende Zinsforderungen fristgerecht zu bedienen.

IWF: Statt Schuldenquote gilt jetzt Schuldendienst

Natürlich ist es legitim, Kriterien zu ändern, zu erweitern oder neu zu gestalten, wenn dadurch eine bessere Beurteilung des Schuldners und seiner Fähigkeit den Kredit zurückzuzahlen möglich wird. Wenn es jedoch nur noch darauf ankommt, dass der Schuldner seine monatlich fälligen Zins zahlt, ist ganz offensichtlich, dass es bei dem neuen Kriterium „Schuldendienst“ nicht mehr darum geht, bewerten zu können, ob der Schuldner den Kredit selbst auch zurückzahlen kann. An diesem Vorgehen wird erneut deutlich, wie hilflos die Institutionen der globalen Überschuldung, die durch die immense Ausweitung der Kreditgeldmenge ausgelöst wurde, gegenüberstehen, wenn sie dazu Umgehungstatbestände schaffen müssen, wie es der ESM auch bei dem Kredit-Vorschuss an Griechenland im Juli 2015 bewerkstelligte.

Für die griechischen Schulden sind folgende Veränderungen geplant: Die Zinsen des 130 Milliarden Euro Kredits, den der Euro-Rettungsfonds EFSF Griechenland gewährt hat, sollen bis 2023 gestundet werden. Die Tilgungen aller Kredite, die im Durchschnitt eine Laufzeit von 32 Jahren aufweisen, sollen erst ab 2040 fällig werden. Für die Kredite, die der ESM im Rahmen des 3. Hilfspakets im August 2015 gewährt hat, beträgt die durchschnittliche Laufzeit ebenfalls 32 Jahre, die Zinsen in Höhe von nur einem Prozent sind jedoch sofort fällig.

Griechenland – letzte Zuflucht Meteora?

Diese Regelungen von ESM und IWF erinnern an das typische Vorgehen von Banken bei der Kreditgewährung an eigenkapitalschwache Häuslebauer. Hierbei wird den Kreditnehmern erlaubt, ein für ihre Verhältnisse viel zu großes Haus zu bauen, wofür zunächst keine Tilgung und nur geringe Zinsen anfallen, welche die Kreditnehmer aufgrund ihres Einkommens bei Vertragsabschluss gerade noch leisten können. Die Banken setzen aber oft einen weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt fest, zu welchem der Zinssatz dann deutlich steigt und die Tilgung mit hohen Summen beginnt. Für die Banken ist das aber kein Problem, denn sie erhalten über Jahre hinweg Zinsen für das selbst geschöpfte Kreditgeld (siehe Geldschöpfung), und sollten die Häuslebauer zwischenzeitlich nicht höhere Einkommen beziehen oder geerbt haben, um die höheren Zinsen und die Tilgungen leisten zu können, werden die Häuser einfach gepfändet und anschließend zwangsversteigert. Bei diesem Geschäftsmodell können die Banken nur gewinnen, denn selbst wenn sie bei einer Zwangsversteigerung einmal weniger erlösen als an Kreditforderung noch offen ist, müssen die alten Kreditnehmer für den Differnezbetrag haften.

Die Methodik mit der IWF und ESM vorgehen, zeigt, dass sich beide Institutionen über die Hoffnungslosigkeit der Verschuldung Griechenlands völlig im Klaren sind. An der Gestaltung der Zins- und Tilgungsvereinbarungen ist erkennbar, dass sie ähnlich vorzugehen beabsichtigen, wie viele Banken mit den eigenkapitalschwachen Häuslebauern. Bei der Überschuldung Griechenlands ist abzusehen, dass IWF und ESM alle Vermögenswerte aus Griechenland und seiner Bevölkerung herauspressen und die Schuldenkrise, die nicht nur Europa, sondern die gesamte Welt existenziell bedroht, konsequent ignorieren werden, um das erkennbar zum Scheitern verurteilte Schuldgeldsystem ohne Rücksicht auf Verluste am Leben zu erhalten. Wie heisst es doch: „Am dunkelsten ist die Nacht vor der Dämmerung“. Willkommen im Endstadium des Neoliberalismus – dummerweise haben das einige noch immer nicht begriffen!

In der Zwischenzeit sollte Griechenland, in einem mit der Eurogruppe abgestimmten Verfahren, aus der Eurozone austreten (Grexit). Wer sich an die Äußerungen des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble über die Einführung von Schuldscheinen in Griechenland erinnert, muss ohnehin davon ausgehen, dass ein kooperativer Grexit bereits im Stillen vorbereitet wird. Dieser Grexit wird uns aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter einem neuen Namen präsentiert. Als Alternative ohne Perspektive bleibt sonst nur die letzte Zuflucht Meteora!