US-Dollar: IWF zögert Ende der Weltleitwährung hinaus

Am 13. März meldete die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, dass China und der IWF über die Möglichkeit einer Beteiligung der chinesischen Währung Yuan am Währungskorb der Sonderziehungsrechte des IWF verhandeln.

Christine Lagarde, die geschäftsführende Direktorin des IWF (Internationaler Währungsfonds) gab anlässlich eines Besuches in Schanghai bekannt, dass die Frage nicht „ob“, sondern vielmehr „wann“ sei, den Yuan in den Währungskorb des IWF aufzunehmen.

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Die Mainstream-Medien schenkten der Meldung kaum Aufmerksamkeit und taten, als ginge es hier um einen völlig normalen Vorgang. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Denn der IWF reagiert damit auf eine Kette katastrophaler politischer Veränderungen für die USA und unternimmt erste sichtbare Schritte, um sich auf das bevorstehende Ende der Weltherrschaft des US-Dollars vorzubereiten.

Das großzügige Entgegenkommen von Christine Lagarde gegenüber China entspringt nicht etwa gutem Willen, sondern der dringenden Notwendigkeit, angesichts einer rasanten internationalen Entwicklung schnell zu handeln. Die vergangene Woche war für die USA schließlich eine außenpolitische Katastrophe, denn nur drei Tage vor Lagardes Aussage über die Aufnahme des Yuan in den Währungskorb des IWF, hatten Deutschland, Frankreich und Italien angekündigt, sich an der von China und Russland beschlossenen Gründung der Asiatischen Infrastruktur Investment Bank (AIIB) beteiligen zu wollen. Eine Institution die als asiatisches Pendant des IWF einzustufen ist. Auch Großbritannien hat offizielles Interesse angemeldet. Die Schweiz, Australien und Japan haben ihre Beteiligung hingegen bereits zugesagt.

IWF bekommt Konkurrenz aus Asien

Die USA hatten im Vorfeld alles versucht, um die eigenen Verbündeten von diesem Schritt abzuhalten, da die AIIB ein direkter Konkurrent der von den USA dominierten Institutionen Weltbank, IWF und Asiatische Entwicklungsbank ist und ihre Gründung den Zerfall des US-Dollars als weltweite Leit- und Reservewährung beschleunigen würde. Doch alle Appelle halfen nichts, selbst die engsten Verbündeten verweigerten den USA diesmal die Gefolgschaft. Denn allen ist mittlerweile klar, dass sie sich auf neue globale Machtstrukturen einstellen müssen, weil die Weltherrschaft des US-Dollars unerbittlich dem Ende zugeht.

Begonnen hatte die Ära des US-Dollars im Jahr 1944 mit der Konferenz von Bretton Woods, auf der es den USA gelang, den Dollar als Weltleitwährung zu etablieren, da sie nach dem Zweiten Weltkrieg für ihre Industrieproduktion neue Märkte brauchten. Nach der Aufhebung des Bretton-Woods-Systems und der Abkoppelung des US-Dollars vom Gold im Jahr 1971, kam es Mitte der Siebziger Jahre zu einem historischen Deal zwischen den Regierungen der USA und Saudi-Arabien. Gegen das saudische Versprechen, innerhalb der OPEC (Organisation der Erdöl exportierenden Länder) dafür zu sorgen, Öl weltweit nur noch in US-Dollar zu handeln, garantierte Washington dem saudischen Königshaus Waffenlieferungen und militärischen Schutz vor seinen Nachbarn. Das war die Geburtsstunde des Petro-Dollars.

Nachdem Öl die weltweit am stärksten gehandelte Ware ist, waren sämtliche Zentralbanken (mit Ausnahme der Sowjetunion) von diesem Zeitpunkt an gezwungen, Devisenreserven in US-Dollar vor zu halten, wodurch die USA ihr Außenhandelsdefizit ständig kompensieren konnten. Gedruckt werden durfte der US-Dollar allerdings nur von der US-Zentralbank Federal Reserve, die – wie bei Notenbanken üblich – auch für die Zinspolitik zuständig war. Damit wurde die gesamte westliche Welt endgültig der Finanzpolitik des US-Großkapitals unterworfen, nachdem die Federal Reserve keine staatliche sondern eine Institution ist, die von privaten Eigentümern kontrolliert wird.

Jedoch war das nicht der einzige Coup den das US-Großkapital in den 70er Jahren landete. Von Mitte der Siebziger Jahre an breitete sich von den USA ausgehend in zunehmendem Maße die Wirtschaftsideologie des Neoliberalismus aus. Kern dieser Ideologie war, den Einfluss des Staates zugunsten freier Märkte zurück zu drängen. Mit dem Argument, dass der Markt sich durch den freien Wettbewerb selbst besser regulieren würde, wenn die Staaten darauf keinen Einfluss nehmen, verbreitete sich diese Ideologie über die westliche Welt.

Ziel der Ideologie war aber nicht wirklich freie Märkte zu schaffen, sondern den Einfluss des Staates auf die Kontrolle der Geldmenge zu verringern. 1913 war es dem US-Großkapital bereits durch einen Staatsstreich gelungen, eine Zentralbank in den USA zu implementieren, die privaten Eigentümern gehörte, die Federal Reserve. Damit hatte das amerikanische Volk einen zweihundert Jahre andauernden Krieg um die Vorherrschaft über das eigene Geld an eine kleine Gruppe von mächtigen Männern verloren. Solange Bretton-Woods bestand konnte der private Einfluss auf die US-Notenbank allerdings nur begrenzt genutzt werden, weil die Dollar-Bindung an Gold bis dahin dafür sorgte, dass die Geldmenge nicht beliebig ausgedehnt werden konnte.

Das Ende von Bretton-Woods und die Ideologie des Neoliberalismus sorgten dafür, dass die privaten Geschäftsbanken nunmehr unbegrenzt eigenes Bankengeld in Umlauf bringen konnten (siehe Geldschöpfung) und dabei nur von der ebenfalls privaten Federal Reserve kontrolliert wurden. Diese Deregulierung der Finanzmärkte hatte in Wahrheit das Ziel, die globale Wirtschaft durch die Finanzindustrie zu beherrschen. Seit 1971 ist die globale Geldmenge deshalb auf das 10fache der globalen Wirtschaftsleistung angestiegen, wodurch immer größere Schuldenberge und immer neuer Blasen an den Märkten entstanden und 2008 die globale Finanzkrise auslösten (siehe Geldsystem).

Das Ende der Dollar-Vorherrschaft

Die Deregulierung der Finanzmärkte sorgte in den USA seit Ende der 70er Jahre dafür, dass die Finanzwirtschaft aufblühte und ihr Anteil an der US-Wirtschaft immer größer wurde. Die Folge davon war eine Deindustriealisierung, die seit der Jahrtausendwende den wirtschaftlichen Abstieg der USA beschleunigte, wodurch die internationale Bedeutung des Dollars abzunehmen begann. Hielten die Zentralbanken der Welt im Jahr 2000 noch 70 Prozent ihrer Währungsreserven in US-Dollar, waren es 2010 nur noch 60 Prozent. Derzeit wird die Marke von 50 Prozent angepeilt und es ist nicht auszuschließen, dass bei einem Unterschreiten dieser Marke eine Massenflucht aus dem Dollar einsetzt.

Mit seiner Annäherung an China versucht der IWF nun, auf diese Entwicklung und auf die Abkehr der US-Verbündeten zu reagieren. Um die Bedeutung der Annäherung an China zu verstehen, muss man einen kurzen Blick auf die Geschichte der Sonderziehungsrechte werfen.

IWF-Sonderziehungsrechte

Sie wurden 1969 vom IWF als künstliche Währung eingeführt, nachdem die Goldvorräte der USA Ende der Sechziger Jahre immer weiter abgenommen hatten und das bis dahin fast unbegrenzte Vertrauen in den US-Dollar ins wanken geriet. Zunächst waren die Sonderziehungsrechte wie der US-Dollar an Gold gebunden, doch diese Bindung wurde 1973 aufgehoben und durch einen Währungskorb ersetzt, der heute aus US-Dollar, Euro, Yen und britischem Pfund besteht. Bislang wurden die Sonderziehungsrechte nur in den Krisenjahren 1970 bis 1972, 1979 bis 1981 und im August und September 2009 eingesetzt, also immer, wenn das Vertrauen in den US-Dollar eine kritische Grenze erreichte.

Dass die Sonderziehungsrechte jetzt wieder in den Fokus rücken, zeigt, dass der IWF erkennt, wie kritisch die aktuelle Situation ist. Mit seinem Entgegenkommen gegenüber China versucht der IWF, sich mit einem geostrategischen Gegner, den er zurzeit nicht kontrollieren kann, zu arrangieren und den US-Dollar als Weltleitwährung zu verteidigen, jedoch aus einer deutlichen Position der Schwäche heraus. Denn sein Zugeständnis ist das eines Vertragspartners, dem die Verbündeten davonlaufen und dessen ökonomische Macht beständig abnimmt.

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USA und China – eine Kooperation von Dauer?

Warum aber ist China daran interessiert, mit dem IWF zu verhandeln? Der Grund liegt in der engen Vernetzung der globalisierten Finanzwirtschaft. China hält zwei Drittel seiner Devisenreserven in Dollar und ist nach Japan der zweitgrößte Inhaber von US-Staatsanleihen. Ende 2014 betrug ihr Wert immerhin 1,2 Billionen US-Dollar. Zwar versucht China seit einiger Zeit, diesen Berg weiter abzubauen, aber die Führung in Peking weiß, dass das nicht von heute auf morgen möglich ist. Während der IWF durch seine Verhandlungsbereitschaft indirekt das drohende Ende des US-Dollars anerkennt, versucht die chinesische Führung ganz einfach, sich durch die Annäherung an den IWF Zeit zu verschaffen.

Die Regierungen in Beijing und Washington fürchten den drohenden Kollaps des US-Dollars und den damit einhergehenden Zusammenbruch des Weltfinanzsystems. Beide haben aber keine Lösung für die anstehenden Probleme und schieben sie deshalb vor sich her. Jedoch spielen beide Seiten mit weiteren Optionen: Die USA und China verfügen über die größten Militäretats der Welt, erhöhen sie von Jahr zu Jahr und befinden sich derzeit in einem Rüstungswettlauf, wie ihn die Welt seit Jahrzehnten nicht erlebt hat.