Prof. Hans-Werner Sinn: EU-Einlagensicherung katastrophaler Unsinn

Prof. Hans-Werner Sinn kritisiert: Die von der EU-Kommission geplante und so gut wie beschlossene gemeinsame Einlagensicherung sprengt jeden Rahmen und würde eine neue Bankenkrise begünstigen, welche die deutschen Steuerzahler teuer zu stehen käme. Hat er damit recht?

Prof. Hans-Werner Sinn: neue EU-Einlagensicherung ist katastrophaler Unsinn

Katastrophalen Unsinn sollte man nicht wiederholen!“ Mit dieser Bewertung hat sich der scheidende ifo-Präsident Hans-Werner Sinn in einem Kommentar zu der geplanten EU-Einlagensicherung zu Wort gemeldet. Denn diese Einlagensicherung würde die deutschen Steuerzahler teuer zu stehen kommen, warnt Prof. Sinn. Im Hinblick auf den Anteil der faulen Kredite in Ländern wie Griechenland und Zypern (Spanien und Italien hat er offensichtlich bewusst nicht erwähnt) könne von einer „fairen Versicherung auf Gegenseitigkeit nicht die Rede sein“, betont Hans-Werner Sinn. Das Ausfallrisiko sei in diesen Ländern vier Mal so hoch wie in den gesunden Ländern der Eurozone. Prof. Hans Werner Sinn hatte auch die Konstruktion der Euro-Rettungsschirme in 2012 kritisiert.

Hans-Werner Sinn: EU-Einlagensicherung ist katastrophaler Unsinn

Wie jüngst bekannt wurde, will die EU-Kommission Spareinlagen, Festgeldeinlagen und Girokonten in der Eurozone nun doch ohne Ausnahmen in ein gemeinschaftliches Sicherungssystem überführen, bei dem Bankguthaben je Einleger bis 100.000 Euro abgesichert werden sollen. Die noch vor wenigen Wochen gegebene Zusicherung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dass die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken von dieser Vergemeinschaftung der Einlagensicherung ausgenommen werden, ist damit auch offiziell vom Tisch. Jetzt soll europaweit jeder für jeden haften, wodurch das ohnehin schon angeschlagene Vertrauen in die EU-Politik weiter abnehmen wird.

EU-Einlagensicherung ohne Ausnahmen

Die neue europäische Einlagensicherung, die frühestens 2017 eingeführt werden soll, „wird der Öffentlichkeit als Versicherung verkauft, so als ginge es um Zufälle, die alle gleichermaßen treffen könnten“, schrieb Hans-Werner Sinn. Davon könne aber nicht die Rede sein, denn bei den Banken von Griechenland, Zypern, Irland, Portugal, Spanien und Italien, liegen nach Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) 707 Milliarden Euro an faulen Krediten. Das wären laut Prof. Sinn 64 Prozent aller faulen Kredite des Euro-Systems, obwohl diese Länder nur 32 Prozent der Wirtschaftsleistung des Euro-Systems erbringen. Das Ausfallrisiko wäre somit dort knapp vier Mal so hoch wie in den noch gesunden Ländern der Eurozone, was eindeutig gegen einen zufällig auftretenden Absicherungsfall spricht.

Eine faire Versicherung auf Gegenseitigkeit muss anders aussehen, da große Teile der Banken Südeuropas ohne die Nullzinspolitik der EZB bereits in Konkurs gegangen wären. Bei der europäischen Einlagensicherung geht es aber nicht um eine Versicherung, sondern um die Haftungsübernahme für bereits angefallene Verluste, die nur noch nicht bilanziert sind. Es ist klar, dass die deutsche Politik deshalb auf Zeit spielt und der Einführung eines gemeinsamen Sicherungssystems solange nicht offiziell zustimmen wird, bis der in mehreren EU-Staaten begonnene Aufbau der nationalen Einlagensicherungen, die bislang noch kaum mit Kapital ausgestattet sind, sichtbare Fortschritte zeigt. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, hatte die Bundesregierung aufgefordert, ihre bestehende Blockadehaltung endlich aufzugeben. Als er diesen Appell an Berlin richtete, war im Gegensatz zu heute noch im Gespräch, dass die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken von der gemeinsamen EU-Einlagensicherung ausgenommen werden.

EU-Einlagensicherung so gut wie beschlossen

Die Vergemeinschaftung der nationalen Einlagensicherungen ist jedoch kaum mehr aufzuhalten, das weiß auch Hans-Werner Sinn, denn bereits am 24.11.2015 wurde die Beschlussvorlage (Regulation oft the European Parliament and of the Council) erstellt, die auf 69 Seiten die genauen Regulierungen enthält. Über diese Beschlussvorlage stimmen das Europaparlament und der Rat der Europäischen Union Anfang 2016 ab. In beiden Fällen reichen einfache Mehrheitsentscheidungen. Das Parlament hat seine Bereitschaft bereits erklärt und der Rat der Europäischen Union wird sicher so entscheiden, wie die ihm untergeordnete Eurogruppe der Finanzminister als Fachgremium entscheidet. Jeroen Dijsselbloem, der Vorsitzende der Eurogruppe, hat in diesem Monat bereits zweimal klargestellt, dass die Vergemeinschaftung gemäß der Beschlussvorlage kommen wird und für deutsche Einlagensicherungen keine Sonderrolle vorgesehen ist. Lediglich der Zeitpunkt der Einführung, zwischen 2017 und 2024, sowie die Frage, ob die Einlagensicherung europaweit oder nur in der Eurozone kommen wird, sind noch offen. Insofern ist die ablehnende Haltung der deutschen Regierung nichts anderes als Salamitaktik, um den Bürgern in Deutschland nicht sofort die ganze Wahrheit sagen zu müssen. Denn eines steht fest, die deutsche Politik will die „Vereinigten Staaten von Europa“, und zu der gehört zwangsläufig eine gemeinsame Einlagensicherung.

Hans-Werner Sinn: EU-Einlagensicherung birgt große Risiken

Auch wenn die gerade aufgebauten nationalen Einlagensicherungen irgendwann mit Kapital versorgt sein werden, ist eine europäische Einlagensicherung für Deutschland gefährlich, denn die nationalen Fonds sollen jeweils nur 0,8 Prozent der Einlagen abdecken, was im Fall einer erneuten Bankenkrise – trotz der bestehenden Rettungsschirme – nicht ausreichen wird. Neben Prof. Hans-Werner Sinn ist auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann kritisch gegenüber der geplanten EU-Einlagensicherung ab 2017 eingestellt. Weidmann sieht die Probleme jedoch vor allem in den unterschiedlichen Insolvenzordnungen der Länder, welche den Banken zusätzliche Risiken durch Kreditausfälle aufbürden könnten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit auch eine gemeinschaftliche Insolvenzordnung beschlossen wird.

Prof. Hans-Werner Sinn’s berechtigte Kritik

Ein weiteres Problem der gemeinsamen Einlagensicherung sieht Hans-Werner Sinn in dem damit ausgestellten Freibrief für die Banken mehr Risiken einzugehen. Und das ist wirklich eine sehr große Gefahr. Hans-Werner Sinn verweist in diesem Zusammenhang auf die Savings- und Loan-Krise, die in den 1980er Jahren in die USA entstanden war, weil die Sparkassen in den USA dank eines gemeinsamen Fonds zur Einlagensicherung sehr viele Spargelder angezogen und damit wild herumgezockt hatten. Über 1000 Sparkassen und Banken gingen dadurch in Konkurs und mehrere hundert mussten gestützt oder konnten zu Spotpreisen übernommen werden. Die Aktion hat die Steuerzahler in den USA damals 130 Milliarden Dollar gekostet und bereitete den fruchtbaren Boden für die nächste Spekulationsblase, die 2001 platzte.

Damit meint Prof. Sinn ganz offensichtlich, dass die europaweite Risikoverteilung der gemeinsamen Einlagensicherung das Verantwortungsbewusstsein der einzelnen Banken und Bankmanager verringern und die Banken, in Zeiten von Niedrigzinsen, dazu verleiten wird, zur Aufbesserung ihrer Ertragslage, mehr als heute an den Finanzmärkten zu spekulieren, wodurch erneut eine Bankenkrise auslöst werden könnte, welche die Staaten zwingen würde, wie in der Finanzkrise, erneut in die Bresche zu springen, um den Kollaps des Finanzsystems zu verhindern. Die Finanzkrise hat vielen Staaten seit 2008 mehr als 30 Prozent zusätzliche Schulden aufgebürdet (siehe Geldsystem) und damit die sog. Schuldenkrise ausgelöst.

Prof. Sinn befürchtet zurecht, dass die gemeinsame Einlagensicherung, so wie sie von der EU-Kommission bisher geplant, genau das Gegenteil dessen bewirken wird, wofür sie gedacht ist: Anstelle die Risiken zu begrenzen, begünstigt die neue EU-Einlagensicherung geradezu die Entstehung einer neuen Bankenkrise, weil mit der Vergemeinschaftung der Haftung auch die individuelle Verantwortung jeder Bank abnehmen wird, nachdem sie sich gegenüber anderen Banken einen Wettbewerbsvorteil verschaffen muss, mit denen sie in Konkurrenz steht. Das kann die einzelne Bank aber nur, wenn sie höhere Risiken eingeht als andere, was zu einem kollektiven Wettbewerb um die höchste Risikobereitschaft führen wird. Hans-Werner Sinn hat die gemeinsame Einlagensicherung für die EU, in der geplanten Form, deshalb als einen „katastrophalen Unsinn“ bezeichnet. Auf die damit begünstigte neue Bankenkrise geht Hans-Werner Sinn in seiner Kritik leider viel zu wenig ein!