Die Zerstörungskraft der Derivate

Durch die massive Ausdehnung der Geldmenge mittels Kreditgeldschöpfung hat sich seit 1971 ein weiteres Problem entwickelt – der riesige Markt der Derivate (globales Kasino für Wetten im Finanzsektor).

Zerstörungskraft der Derivate (Derivateblase)

Das globale Finanzsystem hat sich zu einem verselbständigten und nicht mehr beherrschbaren Mechanismus entwickelt, der ständig nach einer Ausweitung der Geldmenge verlangt. Ursache dieser Entgleisung ist die in den siebziger Jahren begonnene, in den achtziger Jahren von Ronald Reagan und Margaret Thatcher drastisch verschärfte und seitdem von ihren Nachfolgern mit aller Macht vorangetriebene Ideologie des Neoliberalismus, die zu einer Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte geführt hat. Die gesetzliche Beseitigung aller Einschränkungen, denen der Finanzsektor vorher unterworfen war (z. B. das Trennbankengesetz in den USA), hat dafür gesorgt, dass sich die Finanzwirtschaft, die früher der Realwirtschaft durch die Vergabe von Krediten diente, von ihr ablösen und ein vollkommen unabhängiges Eigenleben entwickeln konnte (siehe Geldsystem).

Derivate – eine Folge des Neoliberalismus

Dieses Eigenleben hat einen Markt von Finanzprodukten entstehen lassen, auch Derivate (aus dem Lateinischen: derivare = ableiten) genannt, der seit den Neunziger Jahren geradezu explodiert ist. Der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) bezifferte den Umfang der Derivate im Jahr 2000 mit 95 Billionen US-Dollar, der bis zum Jahr 2010 auf 601 Billionen US-Dollar angestiegen ist. Derzeit wird die Derivateblase auf das Zehnfache des globalen Wirtschaftsleistung (der Summe aller weltweit produzierten Waren und erbrachten Dienstleistungen) von ca. 72 Billionen US-Dollar geschätzt. Derivate sind höchst unterschiedliche Produkte. Alle sind jedoch in einer Hinsicht gleich, sie sind reine Wetten, die entweder an den Börsen, größtenteils aber OTC gehandelt werden (Over The Counter: Wetten außerhalb jeder Kontrolle). Viele Banken sind an solchen Wetten beteiligt, ohne dass das wahres Risiko dieser Geschäfte in den Bankenbilanzen auftaucht.

Der Derivate-Markt ist ein riesiges Kasino: Man kann auf steigende oder fallende Aktienkurse, auf Währungsschwankungen, anziehende oder nachgebende Rohstoffpreise oder auch auf bevorstehende Konkurse und Insolvenzen wetten, und dabei hohe Gewinne, aber auch hohe Verluste erzielen. Das Wichtigste für alle Beteiligten aber ist: Die Erträge fließen schnell und der Abschluss solcher Derivate (Wetten) erfordert nicht mehr als einen Knopfdruck am Computer. Je höher der Druck, unter dem die Bankmanager weltweit stehen, um die riesigen Zinslasten ihrer Banken zu bedienen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr Geld in den Derivatesektor statt in die Realwirtschaft stecken.

Trotz der Finanzkrise von 2008 geriet dieser Derivatemarkt nur kurzzeitig in den Fokus der Mainstream-Medien, obwohl er eine elementare Bedeutung für das globale Finanzsystem hat. Damals beteuerten Politiker und Zentralbanker immer wieder, dass man diesen Markt eingrenzen und beherrschbar machen müsse. Ihren Absichtserklärungen sind allerdings nur Lippenbekenntnisse denen keine Taten gefolgt sind. Im Grunde wäre das auch gar nicht möglich gewesen, denn dieser Markt kann und wird niemals reguliert werden, solange wir ein Geldsystem haben, dass Geld aus Schulden schöpft (siehe Geldschöpfung) und dieses Monopol den privaten Banken überlässt.

Selbst wenn eine oder sogar mehrere Regierungen die ernsthafte Absicht hätten, ihn ernsthaft eingrenzen zu wollen, wäre das ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, da das internationale Kapital sofort auf andere Länder ausweichen würde, die ihm keine solchen Beschränkungen auferlegen oder andere Vergünstigungen gewähren würden. Die Globalisierung sowie die Deregulierung der Finanzmärkte haben dazu geführt, dass der Derivate-Markt solange nicht eingedämmt werden kann, wie Nationalstaaten in der Lage sind unterschiedliche finanzpolitische Regularien oder Gesetze zu erlassen.

Das Geldsystem-Problem

Aus dieser bitteren Wahrheit folgt eine noch bitterere: Ohne eine solche Eindämmung wird es keine Erholung der Realwirtschaft mehr geben. Das System hat mit dem Monopol der Geldschöpfung durch private Geschäftsbanken einen gigantischen Parasiten erzeugt, den Derivate-Sektor, den es nicht mehr los wird, weil er im Stil eines Blutsaugers der Realwirtschaft noch mehr Kapital entzieht als die von den Geschäftsbanken überdehnte Kreditgeldmenge und an dem es mit unerbittlicher Konsequenz zugrunde gehen wird. Bis zu seinem Ende allerdings werden Finanzwirtschaft und Politik weiterhin das tun, was sie schon bisher getan haben und was sie mit der jüngsten Liquiditätsspritze von 1,1 Billionen Euro über die EZB jetzt erneut tun: Das System auf Biegen und Brechen am Leben erhalten.

Könnte Griechenland-Pleite über 3 Billionen Euro kosten?

Das dürfte auch der wahre Grund dafür sein, weshalb die Politik Griechenland auf Biegen und Brechen im Euro halten will, denn Sie weiß ganz offensichtlich, dass das Volumen an Derivaten in Zusammenhang mit Griechenland eine Vielfaches der griechischen Staatsverschuldung beträgt. Wenn das Derivate-Volumen das 10fache der globalen Wirtschaftsleistung beträgt, könnte das Volumen an Wetten auch das 10fache der griechischen Staatsverschuldung betragen. Der Staatsbankrott würde die Geldmenge dann nicht nur um einen großen Teil der 320 Milliarden Euro Staatsschulden Griechenlands verringern, sondern möglicherweise um mehrere Billionen Euro, was die Deflation befeuern würde (siehe Inflationsschutzbrief Ausgabe 4/2015)!

Nach aktuellen Angaben der BIZ beträgt das Volumen der Derivate, die direkt mit dem Euro zusammenhängen, 26,45 Billionen US-Dollar. Da wirken die 1,1 Billionen Euro der EZB, die jetzt an Banken vergeben werden, schon fast wie Trinkgeld. Für die Mehrheit der arbeitenden Menschen in Europa jedoch, die von der Politik durch viele Rettungsaktionen seit 2008 dazu verurteilt worden ist, ein zum Scheitern verurteiltes System durch Sparprogramme, zusätzliche Steuern, fehlende Lohnerhöhung, gekürzte Sozialleistungen, Entwertung ihrer Altersvorsorge, Abschaffung des Bargeldes und Enteignung am Leben zu erhalten, muss jede dieser Maßnahmen, wie ein Faustschlag ins Gesicht wirken.

Situation für Anleger

Natürlich sind diese Rahmenbedingungen für Anleger nicht ideal, weil ein Crash des Derivate-Marktes natürlich auch einen Crash des Aktienmarktes zur Folge hätte. Solange jedoch die Geldspritzen der Notenbanken die Geldmenge weiter wachsen lassen und keine Großbank in Schieflage gerät, ist nicht von einem Derivate-Crash auszugehen. Im Falle des überraschenden Austritts Griechenlands aus der Eurozone (Grexident), kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass eine Großbank oder ein Hedge-Fonds ins Wanken gerät und damit das Platzen der Derivate-Blase auslöst. Aus diesem Grund sollten Anleger diversifizieren und auf weniger schuldenbehaftete Vermögenswerte setzen, so wie unsere Anlagestrategie „Vermögensaufbau„.