US-Börsen: platzt die Aktien-Blase durch das Coronavirus?

US-Börsen: platzt die Aktien-Blase durch Coronavirus

In den letzten Tagen haben die Börsen in den USA und weltweit deutliche Kursverluste durch die unterschätzte Ausbreitung des Coronavirus hinnehmen müssen. Platzt dadurch jetzt die Aktien-Blase, die durch Aktienrückkäufe und Spekulationen von Hedge-Fonds in den letzten Jahren in den USA aufgepumpt wurde? Und kann die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) das platzen der Aktien-Blase verhindern? Ein umfassende Analyse des aktuellen Zustands der US-Wirtschaft und wichtiger Fakten gibt Antworten auf diese Fragen. Der Verfasser wird alle Kommentare beantworten, die Fragen zu dieser Analyse beinhalten!

Eine umfassende Analyse von  Bernhard-Albrecht Roth

27.02.2020: Man könnte die Lage an den US-Börsen so zusammenfassen: Das Coronavirus ist zu dem denkbar ungünstigsten Zeitpunkt aufgetreten. Nicht das es dafür günstige Zeitpunkte gäbe. Wenn das Coronavirus aber genau zu einem Zeitpunkt auftritt, an dem die Aktien-Blase in den USA so weit aufgeblasen ist wie in den Jahren 1929 und 2000, dann gibt es wohl keinen ungünstigeren Zeitpunkt. Denn die Eigenschaft von solchen prall gefüllten Aktien-Blasen war bisher immer, dass sie nur einen kleinen Auslöser brauchten, um zu platzen, und deshalb auch immer geplatzt sind. Aber wie konnte sich diese Aktien-Blase überhaupt entwickeln und hat sie möglicherweise schon zu platzen begonnen?

Coronavirus – wieder ein schwarzer Schwan?

Erinnern wir uns an 2016: die Stimmung in der US-Wirtschaft war schlecht und  deutliche Anzeichen einer Rezession waren bereits sichtbar. Dann kam Donald Trump und versprach, im Fall seiner Wahl, die Unternehmenssteuern zu senken. Damit motivierte er die Wirtschaft und er wurde knapp gewählt. Ein Jahr später kam die Steuerreform tatsächlich und führte zu einer Senkung der Unternehmenssteuern um fast 15%, die mit einer höheren Staatsverschuldung finanziert wurde.

Aber die US-Unternehmen verwendeten die Steuerersparnis kaum dazu, um in ihr operatives Geschäft zu investieren, sondern sie steigerten stattdessen die Rückkäufe eigener Aktien (Buybacks). Das führte zu steigenden Aktienkursen, wodurch die Einkünfte der Manager sowie die Kursgewinne und Dividenden der Anleger stiegen. Die Aktienrückkäufe erreichten dadurch in 2018 ihr historisch höchstes Niveau (siehe folgende Grafik).

Buybacks: Aktienrückkäufe US-Unternehmen 2018 auf Allzeithoch (Aktien-Blase platzt Coronavirus)

Die Steuerreform von Trump hat –  wie von mir in 2018 prognostiziert  – zwar den Kreditzyklus verlängert und die in 2016 drohende Rezession hinausgeschoben, aber zwischenzeitlich kaum realwirtschaftliches Wachstum erzeugt (siehe „Trump-Effekt“ in der folgenden Grafik), denn das wäre nur möglich gewesen, wenn die US-Unternehmen die Steuerersparnis in ihr operatives Geschäft investiert hätten.

US-Unternehmen: operative Gewinne durch Steuerreform von Trump (Aktien-Blase platzt Coronavirus)

Statt dessen hat die Steuerreform,  wie von Prof. Robert Shiller im Dezember 2016 zurecht befürchtet,  nur eine Aktien-Blase wie im Jahr 1929 geschaffen (siehe vorletzte Grafik am Ende dieser Analyse).

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) versucht nun seit Juli 2019 ein platzen der Aktien-Blase und eine damit verbundene Rückkehr der (durch die Steuerreform) aufgeschobenen Rezession mit verschiedenen Interventionen (drei Zinssenkungen, massiv bereitgestellter Liquidität für den Repo-Markt und dem Ankauf kurz laufender Staatsanleihen / T-Bills – siehe folgende Grafik) hinauszuzögern, was ihr bisher – aufgrund der massiven Liquidität – auch gelungen ist.

Aktien-Blase platzt durch Coronavirus: Federal Reserve Interventionen gegen verschobene Rezession

Die Fed hat damit die Aktien-Blase noch weiter aufgepumpt und die US-Aktienmärkte von einem Allzeithoch zum nächsten getrieben. Der Präsident der Federal Reserve Bank von Dallas,  Robert S. Kaplan, hat diesen Zusammenhang kürzlich auch eingeräumt.

Börsen überbewertet – platzt die Aktien-Blase?

Die US-Wirtschaft ist gespalten, nur noch 6% der Unternehmen sind hochprofitabel. Die Gewinne von 94% aller US-Unternehmen sind hingegen niedriger als im Dezember 2016, und haben bereits das Niveau erreicht, bei welchem im Jahr 2000 die US-Börsen zu fallen begannen und kurz darauf die Rezession einsetzte.

Eigenkapitalrendite: Operative Gewinne US-Unternehmen fallen auf Niveau von 2000 (Aktien-Blase platzt Coronavirus)Eine Aktien-Blase liegt immer dann vor, wenn die Kurse der Aktien vor allem durch Kredit und kaum noch durch Unternehmensgewinne getrieben werden. Zu erkennen ist das, wenn sich die Kursentwicklung mehrerer Indizes von den operativen Gewinnen der Unternehmen in diesen Indizes immer weiter abkoppelt. Die folgenden zwei Grafiken zeigen für den S&P 500 sowie für den Wilshire 5000, dass die operativen Gewinne der US-Wirtschaft seit 2016 stagnieren bzw. zurückgegangen sind, während beide Indizes im gleichen Zeitraum deutlich gestiegen sind.

S&P 500: Dotcom-Blase 2000 und Aktien- Buyback-Blase 2020 platzt - Coronavirus

Wilshire 5000: Aktienkurse steigen Gewinne fallen 2016-2020 (Aktien-Blase platzt durch Coronavirus)

Aus der Börsen-Historie sind vor allem drei ähnliche Blasen bekannt:

  • die Spekulationsblase die 1929 platzte und in der großen Depression mündete,
  • die Technologieblase durch die Entwicklung des Internet, die in 2000 platzte, und
  • die Immobilienblase, die 2008 zur Finanzkrise führte.

Allen drei Blasen war gemein, dass sie sich in den USA entwickelten, und platzten, als die Liquidität durch ein rückläufiges Kreditangebot einbrach. In 1929 waren es die Spekulationen mittels Kredit auf kontinuierlich steigende Aktienkurse, die sich zu sehr von den Gewinnen der Unternehmen abgekoppelt hatten, korrigierten und dadurch Nachschusspflichten auslösten, die von den Schuldnern nicht bedient werden konnten.

Im Jahr 2000 waren es völlig überzogene Gewinnerwartungen von Technologie- und Internet-Unternehmen, die durch Kredite vorfinanziert waren und deren Aktienkurse einstürzten, als die Fed die Zinsen mehrmals anhob, sich dadurch die aufgenommenen Kredite verteuerten und in der Folgezeit selbst solide Unternehmen Gewinnwarnungen herausgeben mussten, die keine Garagen-Startup’s waren.

Während es in 2008 die mit vermeintlichen AAA-Ratings versehenen, undurchsichtig verbrieften Immobilienkredite waren, die die stark gestiegenen Immobilienpreise – vor allem in den USA und Europa – zu Fall brachten und die Banken mit in den Abgrund zu ziehen drohten, als klar wurde, dass deren Schuldner aufgrund fehlender Einnahmen und Rücklagen ihren Kapitaldienst nie würden erbringen können.

Warum sind die US-Aktienmärkte überbewertet?

Heute sind die US-Aktienmärkte ähnlich hoch bewertet wie in den Jahren 1929 und 2000. Wie in diesen beiden Jahren, ist auch die aktuelle Aktien-Blase durch zu viel Kredit entstanden. Beschleunigt hat die damit verbundene Ausdehnung der Kreditgeldmenge, dass die Zinsen nach der Finanzkrise sehr niedrig waren.

Der größte Anteil der nach der Finanzkrise überschießend geschöpften Liquidität durch Kredite wurde dabei von den US-Unternehmen für Aktienrückkäufe aufgenommen, da sie diese Kredite aufgrund der niedrigen Zinsen fast umsonst bekamen. Allein die Unternehmen die im S&P 500 gelistet sind, haben in den letzten 10 Jahren für insgesamt 5,25 Billionen US-Dollar eigene Aktien zurückgekauft und mehr als die Hälfte davon über Kredite finanziert. In anderen US-Indizes verhält es sich ähnlich. Unglaublich aber wahr ist, dass die US-Unternehmen fast das gesamte Volumen an Aktien, das sie nach 2009 emittierten, später selbst wieder zurückgekauft haben. Das war der größte Treiber dafür, dass sich der S&P 500 Index seit dem Jahr 2014 mehr als verdoppeln konnte.

Buybacks Aktienrückkäufe: US-Unternehmen kauften fast alle US Aktien (Aktien-Blase platzt Coronavirus)

Anmerkung: Es darf dabei aber nicht vergessen werden, dass eine große Anzahl an Aktien von den US-Unternehmen schon vor dem Jahr 2009 ausgegeben wurden, und die sind nach wie vor in Umlauf.

Eindeutige Indizien für eine Aktien-Blase

In einer kürzlich veröffentlichten  Studie des CFA-Instituts  wird der mit Aktienrückkäufen verbundene Effekt wie folgt beschrieben:

„In mehreren Märkten haben jedoch Rückkäufe die Emission überschritten, was die Aktien steigen und in den Augen der Anleger attraktiver werden ließ. Die wichtigste Erkenntnis unserer Studie ist deshalb, dass Nettorückkäufe großen Einfluss auf die Kursentwicklung von Aktien haben.“

Gemeint ist, dass Aktienrückkäufe das Angebot der Aktien an den Börsen verknappten, wodurch die Aktienkurse stiegen, da sich die Unternehmensgewinne auf weniger ausstehende Anteile verteilten.

Die Aktienkurse vieler US-Unternehmen stiegen ab 2016 deshalb auch ohne das ihre operativen Gewinne stiegen. In vielen Fällen stiegen sie sogar, obwohl ihre operativen Gewinne sanken. Dadurch ging die Schere zwischen den Aktienkursen und den Gewinnen immer weiter auseinander. Anleger sehen nur die Wertsteigerung der Aktien anhand der Aktienkurse, aber nicht die operativen Gewinne der Unternehmen im Verhältnis dazu.

Das ist für sich genommen, schon ein Indiz für eine Aktien-Blase. Verantwortlich dafür waren wenige sehr profitable Technologie-Unternehmen, die durch ihre hohe Marktkapitalisierung von über 20%, die Aktienkurse der anderen US-Unternehmen mit nach oben gezogen haben. Das liegt daran, dass es viele Anleger und Investoren gibt, die selbst kein Portfolio-Management betreiben, also nicht in ausgewählte Aktien investieren, sondern z. B. über Indexfonds ganze Indizes abbilden, oder über Exchange Traded Fonds (ETF) indirekt Anteile an vielen Unternehmen halten, die mehr oder weniger operative Gewinne erwirtschaften.

5 US-Unternehmen haben 20% Marktkapitalisierung im S&P 500 (Aktien-Blase platzt Coronavirus)

Nach Berechnungen von Andrew Lapthorne (von der französischen Großbank Societe Generale) würde das Gewinnwachstum im S&P 500 Index 0 % betragen, wenn es die Unternehmen Microsoft, Apple, Alphabet (Google), Amazon und Facebook nicht gäbe. Allein diese fünf Unternehmen (kurz FAAMG) sorgen dafür, das der S&P 500 im Durchschnitt noch ein Gewinnwachstum von 2 % aufweisen kann. Noch düsterer sieht es im Russell 2000 aus, denn dort beträgt das Gewinnwachstum (der in diesem Index gelisteten Unternehmen) im Durchschnitt schon minus 7 % (siehe folgende Grafik)

S&P 500 Gewinn pro Aktie ohne FAANG-Unternehmen 0% (Aktien-Blase Coronavirus)

Ein noch klares Indiz für die aktuelle Aktien-Blase ist, dass die Aktienkurse dieser wenigen Technologie-Unternehmen, die tatsächlich noch gute Gewinne erwirtschaften, durch Hedge-Funds, die ihre Spekulationen auf steigende Kurse der Aktien dieser Unternehmen, bis heute über den von der Fed gestützten Repo-Markt finanzieren und dadurch den gesamten Aktienmarkt noch weiter nach oben getrieben haben, als es durch die Aktienrückkäufe ohnehin schon der Fall war.

Hedge-Fonds wetten auf 50 Unternehmen im S&P 500 (Aktien-Blase Coronavirus)

Diese Woche  warnte auch Marko Kolanovic,  der Top-Händler und Leiter des globalen Macro-Research bei JP Morgan Chase:

„Einige Technologie-Unternehmen aus den USA befinden sich auf nicht nachhaltigen Bewertungen, weil sie durch Wetten auf steigende Aktienkurse (Call-Optionen) gestützt werden, die sich auf Rekordniveau befinden. Das ist eine Blase, die wir an den Aktienmärkten sehen. Wir warnen die Anleger deshalb, dass diese Blase wahrscheinlich zusammenbrechen wird, d.h. diesmal ist nicht alles anders.“

Verhältnis gehandelter Derivate gegenüber Aktien 91:9 % (Blase platzt Coronavirus)

Die Aktien-Blase lässt sich aber auch an dem seit Jahresbeginn besonders steilen Anstieg des Nasdaq-Index erkennen, der mit der Endphase der Aktien-Blase im Jahr 2000 nahezu identisch ist. Würde der Nasdaq noch auf 10.265 Punkte steigen, hätte er sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt.

Bei 10.265 Punkten wird sich der Nasdaq seit 2000 verdoppeln (Aktien-Blase platzt Coronavirus)

Warum die Aktien-Blase platzen wird

Wie schon die Dotcom-Krise im Jahr 2000 gezeigt hat, widerspiegeln Aktienkurse weder im Boom noch im Crash den realen Wert von Unternehmen, sondern sind das alleinige Ergebnis aus Angebot und Nachfrage. Wird die Nachfrage nach Aktien vor allem durch kreditfinanzierte Aktienrückkäufe der börsennotierten US-Unternehmen und Spekulationen von Hedge-Fonds auf weiter steigende Aktienkurse künstlich erzeugt, wie nach 2016, und werden die Aktienkurse dadurch auf immer neue Höhen getrieben, dann darf diese Nachfrage nach Aktien nicht einbrechen, weil sonst das Angebot an Aktien im Verhältnis dazu steigt. Und fällt die Nachfrage unter das Angebot, dann brechen die Aktienkurse ein.

Die Aktienrückkäufe der US-Unternehmen sind in 2019 (im Vergleich zu 2018) bereits zurückgegangen und dieser Rückgang hat sich im Januar und Februar 2020 noch beschleunigt. Ein Grund dafür war, dass die US-Unternehmen die Steuerersparnisse aus der Steuerreform von Trump in 2018 für Aktienrückkäufe verwendet hatten und die Konjunktur infolgedessen schwach blieb. Dadurch sanken die operativen Gewinne der Unternehmen ebenso wie ihre Steuerersparnis, sodaß sie in 2019 weniger Geld für den Erwerb eigener Aktien zur Verfügung hatten. Bei vielen Unternehmen die Aktien zurückgekauft haben, sind die operativen Gewinne sogar schon unter die Kreditkosten gefallen, wie die weiter oben eingefügte Grafik „S&P 500  Gewinne pro Aktie nur von 5 Unternehmen (FAAMG)“ zeigt.

Buybacks: US-Unternehmen weniger Aktienrückkäufe in 2019 und 2020 (Aktien-Blase platzt Coronavirus)Ein weiterer Grund für den Rückgang der Aktienrückkäufe war, dass die  Banken in 2019 begannen, die Kreditvergabe einzuschränkten,  (siehe folgende Grafik), weil sie wussten, dass sich eine Aktienblase gebildet hatte und viele Unternehmen ihre Aktienrückkäufe infolgedessen nur noch gegen höhere Sicherheiten oder höhere Zinsen über Banken hätten finanzieren können. Beides machte die Aktienrückkäufe auf Kredit für viele Unternehmen deshalb unattraktiv.

Wie  alle US-Rezessionen nach dem Ende von Bretton-Woods (1971) gezeigt haben, sind die Einbrüche an den Börsen immer auch durch eine rückläufige Kreditgeldmenge ausgelöst worden (siehe folgende Grafik). Auf die Kausalität zwischen rückläufiger Kreditvergabe und Rezession hatte ich schon in dem Beitrag  „Inverse Zinsstrukturkurve, restriktive Kreditvergabe und US-Rezession“  und  in einem Update dazu  hingewiesen.

US-Banken: wenn die Kreditvergabe über 10% sinkt folgt Rezession (Aktien-Blase platzt Coronavirus)In 2008 trat durch den Ausbruch der Finanzkrise ein abrupter Rückgang des Kreditvergabe ein, der in den USA innerhalb eines Jahres das Volumen an Aktienrückkäufen halbierte. In der Folge halbierten sich auch die Kurse an der Wall Street, weil es nicht genug Käufer für Aktien und zu wenig neue Kredite gab, die den Rückgang der Aktienrückkäufe hätten auffangen können.

In 2019 und 2020 ist der Rückgang der Aktienrückkäufe noch durch Anleger kompensiert worden, die auf den fahrenden Zug der stark angestiegenen Aktienkurse aufgesprungen sind. Dazu beigetragen hat auch das Angebot mehrerer Online-Broker, wie Charles Schwab, die zum Ende des Jahres 2019 ihre Ordergebühren teilweise bis auf Null reduzierten.

Das kann nicht lange gut gehen, wird sich vielleicht auch der bekannte Großinvestor Warren Buffett gedacht haben, weshalb er sich im letzten Quartal von einem Teil seiner Apple-Aktien im Wert von mehr als 800 Millionen Dollar trennte. Denn wie in jeder Blase wird die Nachfrage nach Aktien irgendwann auf ein immer größeres Angebot an Aktien treffen und die Aktienkurse auf Talfahrt schicken.

Viele Anleger erkennen die Aktienblase nicht

Leider hat die Fed durch ihre bisherigen Interventionen die Illusion erzeugt, sie werde auch bei zukünftigen Schwächephasen immer mit neuen Interventionen bereitstehen, weshalb viele die Wiedereinführung von Quantitative Easing (QE) erwarten, womit die Fed eine sich abkühlende Wirtschaft und eine Rezession verhindern würde. Manche glauben sogar, die Fed dürfe gar keine Rezession mehr zulassen und muss deshalb die Aktienblase immer weiter aufpumpen, damit das Finanzsystem nicht kollabiert. Dadurch ist bei vielen Anlegern der Glaube an noch viel höhere Aktienkurse entstanden. Das offenbart einen fundamentalen Irrtum.

Die Fed hat mit ihren Interventionen seit Juli 2019 die Aktien-Blase zwar weiter aufgepumpt, sie hat das aber nicht getan, damit das Finanzsystem nicht kollabiert, oder damit das Wirtschaftswachstum stimuliert und infolgedessen eine Rezession verhindert wird, sondern sie hat der US-Wirtschaft (insbesondere der Finanzwirtschaft) damit Zeit erkauft sich auf das platzen der Aktien-Blase vorzubereiten.

QE einzusetzen bevor die Aktien-Blase geplatzt ist und eine Rezession begonnen hat, würde also gar keinen Sinn machen, da QE seine sinnvolle Wirkung, einen Abschwung abzubremsen und einen neuen Aufschwung einzuleiten, nur dann entfalten kann, wenn es vorher zu einem Teil-Abbau von Kreditkapazitäten, also zum Abbau von Schulden und Vermögen gekommen ist. Und genau das passiert wenn eine Aktien-Blase platzt und die Börsen einbrechen.

Wenn Anleger nicht erkennen, dass es sich um eine Blase aus Aktienrückkäufen und massiven Spekulationen von Hedge-Fonds auf steigende Kurse handelt, können sie auch nicht wissen das diese Aktien-Blase platzen muss. Viele werden ihre Aktien, oder Fonds die Aktien enthalten, deshalb nicht verkaufen bevor die Aktien-Blase geplatzt ist, sondern erst, wenn sie schon deutliche Kursverluste erlitten haben. Oder sie versuchen diese Kursverluste auszusitzen, indem sie die Aktien oder Fonds halten, in der Hoffnung das sie wieder steigen. Egal ob ein realisierter Kursverlust zwischen Kauf und Verkauf oder ein Buchverlust durch das Halten von Aktien oder Fonds eintritt, in beiden Fällen wird bestehendes Vermögen von den Anlegern bzw. Aktionären, entweder endgültig oder temporär vernichtet. An den Bilanzen der Unternehmen ändert sich hingegen nichts wenn die Aktienkurse fallen, denn sie haben noch immer den Gegenwert für die zuvor zum Kurswert verkauften Aktien in ihrer Bilanz.

„Das Geld ist nicht weg, es hat nur ein anderer“, vielleicht schon mal gehört?

Hierzu ein vereinfachtes Beispiel:

Ein Anleger, der eine Aktie von Unternehmen X zum Kurswert von 400 Dollar kauft, verliert 200 Dollar, wenn die Aktien-Blase platzt und der Kurs seiner Aktie dadurch auf 200 Dollar fällt. Unternehmen X hat aber bei dem Verkauf der Aktie 400 Dollar von dem Anleger erhalten, hat aber nach dem platzen der Aktien-Blase immer noch 400 Dollar für die zum Kurswert ausgegebene Aktie in der Bilanz stehen, auch wenn der Kurswert der Aktie (der nicht bilanziert wird) mittlerweile nur noch 200 Dollar beträgt. Unternehmen X kann nun eine Aktie zum Kurswert von 200 Dollar zurückkaufen und hat trotzdem noch 200 Dollar übrig um damit den Kredit zu tilgen, den es verwendete, um Aktien zurückzukaufen, und dadurch (unterstützt von den Hedge-Fonds) den Aktienkurs von 200 auf 400 Dollar nach oben zu treiben. Unternehmen X hat in diesem Beispiel also entweder mehr Kapital als vor dem platzen der Aktien-Blase, oder mehr eigene Aktien umsonst (bilanzneutral) zurückbekommen. Der Anleger hat hingegen nur noch eine Aktie mit einem Kurswert von 200 Dollar.

Platzt die Aktien-Blase und bricht daraufhin der Aktienkurs von Unternehmen X ein, sinkt temporär zwar dessen Kurswert (Marktwert), aber diesen Nachteil nehmen die Manager in Kauf, weil sie ihre Aktienoptionen rechtzeitig ausüben, die erheblich im Wert gestiegen sind, wenn der Aktienkurs von Unternehmen X über Jahre hinweg durch Aktienrückkäufe und Spekulationen von Hedge-Fonds nach oben getrieben wurde. Und die großen Aktionäre unterstützen das, weil sie vorher hohen Kursgewinne erzielten und Dividenden erhielten, die sie ebenso durch einen rechtzeitigen Verkauf absichern. So läuft das Spiel etwas vereinfacht dargestellt, und beginnt von neuem, sobald der Abschwung zu Ende ist.

Platzt die Aktien-Blase durch das Coronavirus?

Wie bereits dargelegt, sind die Aktienrückkäufe der US-Unternehmen in 2019 im Vergleich zu 2018 zurückgegangen und dieser Rückgang hat sich im Januar und Februar 2020 noch beschleunigt. Zudem hat die Fed bereits angekündigt in den nächsten Wochen die Unterstützung für den Repo-Markt zurückzufahren. Hinzu kommt noch, dass das Coronavirus große Teile von China (die Werkbank der Weltwirtschaft) schon fast zwei Monate lang lahmgelegt hat und höchstwahrscheinlich zwei weitere Monate lahmlegen wird. Die operativen Gewinne der US-Unternehmen werden dadurch weiter zurückgehen, da die US-Wirtschaft weltweit am stärksten von der chinesischen Wirtschaft abhängt.

Wie sollen unter diesen negativen Umständen die operativen Gewinne der US-Unternehmen plötzlich wieder ansteigen, wo sie doch schon vor diesen negativen Umständen stagniert haben bzw. gefallen sind?

Wenn dann auch noch die stark von China abhängigen operativen Gewinne der wenigen Technologie-Unternehmen wie Apple, die bisher die US-Aktienmärkte nach oben gezogen haben, einbrechen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Hedge-Fonds und Spekulanten, die bisher auf steigende Kurse gewettet haben, umsteigen und auf fallende Kurse wetten, weil die Gewinnwarnungen dieser wenigen Technologie-Unternehmen die letzte Phantasie zerstören werden, dass sich die in den hohen Aktienkursen enthaltenen zu hohen Gewinnerwartungen realisieren lassen. Ein großes Angebot an Aktien wird dann auf wenig Nachfrage treffen und die Aktienkurse auf Talfahrt schicken.

Die US-Medien werden für die fallenden Börsen aber nicht die Blase durch Aktienrückkäufe und massive Spekulationen auf wenige Technologie-Aktien verantwortlich machen, sondern vielmehr den Ausbruch und die Verbreitung des Coronavirus.

Das Coronavirus wäre wegen der Kausalität zwischen einer gewaltigen Aktien-Blase und einem unerwarteten Ereignis, bekannt als schwarzer Schwan, dann quasi das Pendant der Anschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York, die damals den Verfall der Aktienkurse beschleunigten.

Gefahr für Anleger wenn die Aktien-Blase platzt

Wenn die Wende an den US-Börsen einsetzt, besteht die große Gefahr für Anleger darin, dass sich der Kursverfall der Aktien wesentlich schneller vollziehen könnte als in 2000/2001, denn heute sind gewaltige Summen in passiv verwalteten Fonds angelegt, sog. Exchange Traded Funds (ETF), die von Algorithmen und künstlicher Intelligenz kontrolliert werden, um Chancen und Risiken an den Aktienmärkten höchst effizient auszunutzen.

Setzt die Wende ein, kommt es sehr wahrscheinlich zu einer Abverkaufswelle wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Die Börsen können zwar die maximalen Verluste pro Tag begrenzen, was aber nicht viel nützen wird, wenn riesige Aktienpakete zum Verkauf stehen und auf wenig Nachfrage treffen.

Nachdem die ETF’s mittels KI die Märkte beobachten und markante Veränderungen sehr viel früher erkennen als konventionelle Anleger, und zudem ihre Orders via Hochfrequenzhandel auch viel schneller platzieren können, besteht die besondere Gefahr darin, dass die gewaltigen Aktienpakete der ETF’s bereits zum Verkauf stehen und vorrangig abgearbeitet werden müssen, wodurch die Kurse schon stark gefallen sein können, bevor die Orders anderer Marktteilnehmer überhaupt ausgeführt werden. Wer sein Portfolio also nicht mit Put-Optionen abgesichert hat, könnte schnell große Verluste erleiden, weil er nicht schnell genug reagieren und verkaufen kann.

S&P 500: Chart zeigt mögliche Obergrenze der Aktienhausse

Gibt es eine Grenze an der die Aktienhausse enden und die Blase platzen muss? Meine Antwort lautet natürlich ja, weil irgendwann das Vertrauen verloren geht, wenn sich die Aktienkurse sehr weit von den operativen Gewinnen der Unternehmen abgekoppelt haben, die Schere zwischen beiden also weit auseinander gegangen ist. Da braucht es dann nur noch einen Auslöser – wie die unerwartete Ausdehnung des Coronavirus – und das Vertrauen schwindet. Wie in 2018 sehen wir aktuell wieder massiv steigende Kapitalzuflüsse bei den Staatsanleihen, weshalb die Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen schon auf ein historisches Allzeittief von 1,33 % gefallen sind, was für einen hohen Vertrauensverlust bei institutionellen Investoren spricht.

Eine konkrete Marke an der dieses Vertrauen in die Rechtfertigung hoher Aktienkurse schwindet, lässt sich lediglich aus der Börsen-Historie begründen. Dazu habe ich in die folgende Grafik der historischen Kursentwicklung des S&P 500 (inflationsbereinigt) eine rote Gerade eingezeichnet, die sich aus den Höchstständen der beiden größten Aktien-Blasen in den Jahren 1929 und 2000 ergibt. Wie man sieht, hat der S&P 500 Index heute fast sein historisches Allzeithoch aus diesen beiden Jahren erreicht, das in Abhängigkeit von der Variable Zeit aktuell zwischen 3.400 und 3.600 Punkten liegt.S&P 500: Allzeithoch von 1929 und 2000 in 2020 fast erreicht (Aktien-Blase Coronavirus)Nachdem es sich aber nur um die Verlängerung einer Geraden aus zwei Fixpunkten handelt, ist diese verlängerte historische Höchstmarke natürlich sehr theoretisch und hochspekulativ, weil die Grenze des Vertrauens der Anleger psychologischer Natur ist, von unterschiedlichen Faktoren oder Ereignissen beinflusst wird, und sich deshalb auch nicht im voraus bestimmen lässt.

Wenn wir uns aber zusätzlich die historischen Gewinne pro Aktie im S&P 500 in der folgenden Grafik ansehen, können wir feststellen, dass diese ihre historische Höchstmarke (ebenfalls rote Gerade) nicht überschreiten konnten, also an dieser Höchstmarke schon im Februar 2019 nach unten abgeprallt sind. Es ist deshalb gut möglich, dass auch der Index an seiner historischen Höchstmarke scheitern wird.

S&P 500 Gewinn pro Aktie in 2019 an Allzeithoch von 1929 und 2007 abgeprallt (Aktien Blase Coronavirus)Mein Fazit

Aus allen in diesem Beitrag genannten Gründen, kann es nach meiner Überzeugung nicht mehr lange dauern, bis diese Aktien-Blase in den USA platzt. Erste Vorboten, wie die Gewinnwarnung von Apple, haben wir bereits gesehen, weitere werden folgen. Leider wird das platzen der Aktienblase wie immer auf die Weltwirtschaft durchschlagen und dort zu größeren Problemen führen, als in den USA.

Es ist aber wahrscheinlich, dass die Fed weitere Zinssenkungen vornimmt und damit den Schuldnern Zeit erkauft. Die Blase könnte deshalb erst nach den US-Wahlen platzen, persönlich glaube ich aber daran nicht, denn – wie weiter oben bereits ausgeführt – wäre das Coronavirus als schwarzer Schwan der ideale Sündenbock, anstelle der künstlich aufgepumpten Aktienblase, der für den notwendigen Teilabbau von Kreditkapazitäten durch die Vernichtung von Schulden und Vermögen sorgt, wodurch das überschuldete System wieder atmen und später wieder wachsen kann. Je weiter die Fed die Zinsen senkt, bevor es zu dieser Vernichtung von Schulden und Vermögen gekommen ist, desto schwerer wird es für sie, den Abschwung wieder in einen neuen Aufschwung zu verwandeln.

Es würde auch wenig bringen, wenn die Fed noch mehr Liquidität in die Märkte pumpt, denn sie kann damit keine Produktionsausfälle oder die Unterbrechung der Lieferketten durch das Coronavirus verhindern, die von China aus in die ganze Welt und insbesondere zu den Technologie-Unternehmen in den USA gehen.

Natürlich habe  ich mich auch schon mal geirrt, z. B. was das Timing angeht,  halte aber trotzdem an meiner Prognose fest, dass  die Rezession in den USA im ersten oder spätestens zweite Quartal 2020 beginnen wird. Es wäre schließlich kein Novum in den USA, wenn der Beginn einer Rezession aufgrund korrigierter Daten später rückdatiert wird.

Warum in diesem Finanzblog vorwiegend die Gefahren und weniger die Chancen beleuchtet werden, werde ich in Kürze in einem Beitrag zur  Anlagestrategie BestTrend  erläutern.

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Zusammenfassung:
Titel:
US-Börsen: platzt die Aktien-Blase durch das Coronavirus
Kurzbeschreibung:
Platzt jetzt durch das Coronavirus die Aktien-Blase, die durch Aktienrückkäufe der US-Unternehmen und Spekulationen von Hedge-Fonds aufgeblasen wurde?
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