BIZ-Jahresbericht: Brexit und Risiken der Weltwirtschaft

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel hat kürzlich eine grundlegende Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik gefordert. Anders könne die weitere Schrumpfung der Weltwirtschaft nicht verhindert und ein weiterer Anstieg der ohnehin schon hohen Verschuldung nicht mehr eingedämmt werden, schreibt die BIZ in ihrem aktuellen Jahresbericht. Der Brexit sei dabei das geringste der globalen Probleme.

BIZ: Brexit und steigende Risiken der Weltwirtschaft

Die BIZ geht nach dem Referendum über den EU-Austritt Großbritanniens (Brexit), dem 51,9 Prozent der Briten zugestimmt haben, davon aus, dass eine Phase der Unsicherheiten und Anpassungen folgen werde. Auf der Generalversammlung der BIZ am 26.06.2016 in Basel sagte ihr Generaldirektor, Jaime Caruana, dass die Entscheidung der Briten für den EU-Austritt, zu hohen Schwankungen an den Finanzmärkten geführt habe und weiterhin führen werde, weshalb die Zentralbanken eng zusammenarbeiten und die Bank von England unterstützen würden, um Störungen der Märkte zu verhindern.

BIZ-Jahresbericht: Steigende Risiken der Weltwirtschaft

Auf ihrer Generalversammlung hat die Bank für internationalen Zahlungsausgleich auch ihren aktuellen Jahresbericht Nr. 86 vorgestellt. Die BIZ warnt darin vor zu hohen Erwartungen an die Entwicklung der Weltwirtschaft sowie vor erheblichen Risiken. Nach dem Leiter der Wähungs- und Wirtschaftsabteilung der BIZ, Claudio Borio, lägen die Wachstumsraten zwar nahe an dem historischen Durchschnitt, es sei jedoch unrealistisch zu erwarten, dass die wirtschaftliche Entwicklung wieder zu einem Wachstum wie vor dem Ausbruch der Finanzkrise zurückkehren könne. Für den Übergang zu einem stabilen und nachhaltigen Wachstum regt die BIZ deshalb eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung an.

BIZ sieht drei parallel existierende Risiken

Problematisch seien aus Sicht der BIZ vor allem drei parallel bestehende Risiken: Das Produktivitätswachstum sei ungewöhnlich niedrig und die globalen Schuldenstände hätten ein historisch noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht, was ein Risiko für die Stabilität des Finanzsystems darstelle. Zugleich mache der durch die Verschuldung entstandene, äußerst enge wirtschaftspolitische Handlungsspielraum vieler Staaten, die Weltwirtschaft höchst anfällig. Anzeichen für diese ungünstigen Bedingungen seien die nach wie vor außerordentlich und anhaltend niedrigen Zinssätze. Dass die Geldpolitik an ihren Grenzen angelangt sei, würde sich auch an den verstärkten Kursschwankungen an den Finanzmärkten zeigen. Es würde der Weltwirtschaft schaden, noch länger auf das schuldenfinanzierte Wachstumsmodell zu setzen, das die gegenwärtige Situation verursacht habe, heißt es in dem Bericht. Das diese Bewertung zutreffend ist, kann auch an der Entwicklung des Goldpreises nachvollzogen werden, der seinen Abwärtstrend im Dezember 2015 beendet und den alten Aufwärtstrend von 2001 – 2011 wieder aufgenommen hat. Der Goldpreis ist neben dem Produzentenpreis-Index der sicherste Krisenindikator.

Nach Auffassung der BIZ sollte nun der Aufsichts-, Fiskal- und Strukturpolitik eine größere Rolle zukommen. Der Geldpolitik sei dagegen zu lange zu viel aufgenötigt worden. In ihrem Jahresbericht empfiehlt die BIZ auch eine längerfristige Ausrichtung von Maßnahmen, mit der kostspielige finanzielle Auf- und Abschwünge besser verhindert werden könnten. Es seine dringend Maßnahmen erforderlich, die man nicht wieder bereuen müsse, wenn die Zukunft zur Gegenwart werde, unterstrich Borio.

BIZ erwartet weiterhin niedrige Inflation

Trotz der massiven Zentralbankmaßnahmen seit Beginn der Krise bleibe die Inflation weiterhin auf einem niedrigen Niveau. So liegt die Teruerungsrate, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestebt wird, noch immer weit von 2 Prozent entfernt, obwohl sie seit März 2015 ein Anleihekaufprogramm aufgelegt hat, das inzwischen 1,7 Billionen Euro umfasst. Die BIZ macht für die weit verbreitete Skepsis an den Märkten auch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise verantwortlich. Zwar gelang es die Wirtschaft zu stabilisieren, aber tiefgreifenden Maßnahmen wie eine Sanierung der Bankenbilanzen oder strukturelle Reformen sei zu wenig Beachtung geschenkt worden.

Die BIZ-Volkswirte befürchten nun eine größere, unvermeidliche aber auch notwendige Anpassung. In den Schwellenländern würden die Kreditzyklen auf ihre Höhepunkte zusteuern oder hätten diesen bereits überschritten. Ein Beispiel dafür sei der deutliche Kurseinbruch an den chinesischen Aktienmärkten. In diesen aufstrebenden Volkswirtschaften verlangsame sich das Wachstum, als Folge davon würden die Rohstoffpreise wie etwa der Ölpreis fallen. Die Straffung der amerikanischen Geldpolitik habe zudem den US-Dollar gestärkt, was die Finanzierungsbedingungen der in Dollar verschuldeten Schwellenländer verteuert habe. Dazu zählen Unternehmen aus China oder auch Brasilien. BIZ-Chefvolkswirt Hyun Song Shin zufolge, würde die Wertentwicklung vieler Währungen der Schwellenländer eng mit den Finanzierungs-konditionen korrelieren. Sobald eine Landeswährung schwächer werde, würden die Konditionen schärfer.

BIZ kritisiert falsche Anreize für Verschuldung

Auf dem Feld der Fiskalpolitik regt die BIZ eine Reihe von Maßnahmen an, darunter die Verbesserung der Qualität öffentlicher Ausgaben. Dazu sollten die Staaten statt in laufende Transferzahlungen vielmehr in Sach- und Humankapital investieren. Darüber hinaus sollten die Steuer- und Subventionssysteme nach Auffassung der BIZ so angepasst werden, dass kein verzerrender Anreiz zur Schuldenaufnahme mehr besteht, auch bekannt als Privat-Public-Parntership, womit staatliche Investitionen durch private Investoren abgedeckt werden (wie das Desaster bei der Hamburger Elbphilharmonie). „Den größten Beitrag zur Krisenprävention könnte die Abschaffung einer übermäßigen steuerlichen Bevorzugung von Schulden gegenüber dem Eigenkapital leisten, die einer Überschuldung Vorschub leistet und den Finanzsektor anfällig macht“, so der Bericht.

In der Aufsichtspolitik hält es die BIZ für erforderlich, in den von der Krise betroffenen Ländern die sich hinziehende Sanierung von Bankbilanzen zu beschleunigen. Sie betont auch in ihrem Jahresbericht die große Bedeutung tadelloser Bilanzen und einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung. Um die langfristige Rentabilität des Bankensektors in diesen Ländern zu erhöhen, rät die BIZ zudem, durch eine strenge Aufsicht Überkapazitäten schnell abzubauen.

In Ländern, die nicht von der Krise betroffen seien, sollten nach Einschätzung der BIZ makroprudenzielle Instrumente eingesetzt und die Aufsicht verstärkt werden. Damit solle eine mögliche Verschlechterung der Qualität von Vermögenswerten in den Bankbilanzen frühzeitig erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können.

Besonderen Handlungsbedarf sieht die BIZ im Bereich von Strukturreformen. Leider sei die Diskrepanz zwischen dem, was erforderlich ist, und dem, was erreicht werde, besonders groß, so die Autoren im Jahresbericht. Die Bedeutung struktureller Maßnahmen sei klar erkannt worden, was beispielweise in den Beratungen der G20 zum Ausdruck gekommen sei. In manchen Ländern würden die Resultate jedoch weit hinter den Vorhaben und Intentionen zurückblieben. Hier müsse viel mehr getan werden, mahnt der BIZ-Bericht an.

BIZ sieht Grenzen der Geldpolitik

Mit Unbehagen blickt die BIZ laut Borio auf den neuerlichen Rückgang der ohnehin außerordentlich und anhaltend niedrigen Zinsen. Mitte Juni 2016 seien zudem weltweit Staatsanleihen im Wert von 9 Billionen US-Dollar mit negativen Renditen gehandelt worden. Die Grenzen des Undenkbaren würden immer weiter ausgedehnt. Siehe hierzu: Bargeldverbot oder Finanzsystem-Kollaps.

Die Autoren des BIZ-Berichts befassten sich auch mit den Bedenken hinsichtlich der nachlassenden Wirkung der Geldpolitik. Dabei beleuchten sie auch die wachsende Bedeutung von externen Transmissionskanälen, wie den Wechselkursen.

Neben der Inflation sollte die Geldpolitik nach Auffassung der BIZ auch die Stabilität des Finanzsystems berücksichtigen. „Damit die Geldpolitik den erhofften Nutzen bringen kann, muss sie den Finanzzyklus systematisch berücksichtigen, im Auf- ebenso wie im Abschwung, damit sich die finanzielle Seite der Wirtschaft im Lot befindet“, erläuterte Claudio Borio die Bewertung der BIZ. Geld- und Finanzstabilität würden eng zusammengehören. Mit Finanzzyklus ist der Kreditzyklus der Banken-Geldschöpfung gemeint (siehe Geldschöpfung).

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Zusammenfassung:
Titel:
BIZ-Jahresbericht: Brexit und Risiken der Weltwirtschaft
Kurzbeschreibung:
BIZ-Jahresbericht: Schrumpfung der Weltwirtschaft und Anstieg der Verschuldung erzwingen Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik. Brexit geringes Problem!
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